Adoptiveltern

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Auch wenn der Verlust der leiblichen Eltern durch nichts und niemanden zu ersetzen ist, sind Kinder durchaus fähig und bereit, andere Menschen als Eltern gewissermassen ersatzweise zu akzeptieren. Allerdings ist dabei immer zu bedenken, dass sie gar keine andere Wahl haben, solange sie noch nicht für sich selbst sorgen können. Es geht also weniger um einen freien Entscheid als schlicht um eine Frage des Überlebens.

Aus Sicht der Erziehung ist der Zeitpunkt der Adoption wichtig, denn für eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung sind fast ausschliesslich die beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung massgebend, also die je rund zwei Jahre dauernden Phasen der Vertrauensbildung und der Willensbildung. Geschieht die Adoption erst danach, wird es enorm schwierig oder gar unmöglich, eine genügend tragfähige Beziehung aufzubauen. Die Erziehungsarbeit beschränkt sich dann praktisch auf die Möglichkeiten der "Nacherziehung". Wird das Kind gleich nach der Geburt adoptiert, ist zwar eine eigentliche Erziehung möglich, doch bleibt die offene Frage nach den leiblichen Eltern, der Sie und das Kind sich früher oder später werden stellen müssen.

Spezielle Herausforderungen

Verlust der leiblichen Eltern

Als Adoptiveltern sollten Sie sich vor allem bewusst sein, dass es für ein Kind nichts Schlimmeres gibt, als von den eigenen Eltern verlassen zu werden. Dabei ist der Grund für das Verlassen zunächst unwichtig, das Kind fühlt sich durch den Tod der Eltern genau gleich verlassen, wie wenn es zur Adoption freigegeben wurde. Dieses traumatische Erlebnis kann zudem kaum je ganz verarbeitet werden. Es wird zumindest unterbewusst immer eine Art Hypothek bleiben, mit deren Verarbeitung Menschen unterschiedlich gut klarkommen.

Grösste Bedeutung in der Erziehung von Adoptivkindern wird deshalb das Thema Vertrauen haben: Das Kind muss erstens eine neue Beziehung aufbauen können und muss zweitens die Erfahrung machen können, dass es sich auf diese Beziehung bedingungslos verlassen kann (und nicht noch einmal enttäuscht wird). Gerade diese Bedingungslosigkeit ist für Adoptiveltern nicht immer so einfach zu meistern wie bei eigenen Kindern. So kann sich zum Beispiel der Gedanke einschleichen, dass es ja nicht in Ihrer Verantwortung liegt, dass das Vertrauen des Kindes gebrochen wurde. Auch können Sie sich noch so viel Mühe geben, und werden trotzdem den Eindruck nicht los, dass Sie keine vollkommenen Eltern sein können. Mit solchen Gedanken müssen Sie leben können. Tröstlich mag dabei immerhin sein, dass auch leibliche Eltern niemals perfekt sind und dass ganz abgesehen davon für die Erziehung auch gar keine Perfektion verlangt ist! Ganz im Gegenteil: Zur Vollkommenheit gehören auch das Unvollkommene.

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Elternliebe

Die Antwort auf die Frage, ob Adoptiveltern Kindern die gleiche Elternliebe entgegenbringen können, wie es die leiblichen Eltern könnten, hängt wohl vor allem vom Begriff der Liebe ab. Das "Zweimalzwei der Erziehung" versteht Elternliebe als eine Antwort der Eltern auf die Liebe, die ihnen das Kind gewissermassen bei der Geburt als Geschenk mitbringt, also weniger als eigenständige Fähigkeit der Eltern zu lieben, sondern eher als eine Reaktion auf das Wunderbare. Demnach ist es für Adoptiveltern umso einfacher, je näher die Adoption zeitlich bei der Geburt liegt. Je älter das Kind ist, desto selektiver wird sein Vertrauen oder es hat gar bereits einen Grossteil seines Vertrauens in das Leben verloren.

Ganz abgesehen von der Frage der Liebe, sollten Sie als Adoptiveltern Ihre Erziehungsarbeit mehr als Aufgabe betrachten, die Sie für das Kind freiwillig übernommen haben, während den leiblichen Eltern sowohl ein Recht als auch eine Pflicht zukommt. Während Eltern eine anspruchsvolle, doch an sich leicht lösbare Aufgabe zukommt, ist die Aufgabe von Adoptiveltern ungleich schwieriger. Zudem können Sie am Ende nicht einmal sicher sein, dass das Adoptivkind Ihnen dafür dankbar ist, denn sein Schmerz, den es durch den Verlust seiner leiblichen Eltern erfahren hat, ist möglicherweise grösser als seine Dankbarkeit Ihnen gegenüber.

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Kulturelle Entwurzelung

Noch schwieriger sind interkulturelle Adoptionen. Das Kind wird nicht nur von seinen Eltern verlassen, sondern auch noch aus seinem natürlichen Umfeld entwurzelt. Falls Sie ein Kind adoptieren, um einen unbefriedigten Kinderwunsch zu erfüllen, sollten Sie sich der Problematik bewusst sein, dass kaum abschätzbar ist, ob es dem Kind am Ende bei Ihnen wirklich besser geht als in seinem, wenn auch meist problematischen, Herkunftsland.

Aufklärung über die Adoption

Schliesslich bleibt die grosse Frage, ob, wann und wie dem Adoptivkind mitgeteilt werden soll, dass Sie nicht seine leiblichen Eltern sind. Bei der Antwort sollten Sie sich von den Grundsätzen der Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber Fragen des Kindes leiten lassen. Gehen Sie also zunächst davon aus, dass das Kind von sich aus irgendwann mit der Frage kommt und mit der, wenn auch schwierigen, Wahrheit besser umgehen kann als mit einer Tabuisierung. Bleiben Sie aber aufmerksam, wann und wie viel das Kind wissen will: Es kann gut sein, dass es nicht alles auf ein Mal wissen will, sondern immer nur so viel, wie es auch verarbeiten kann. Gut möglich, dass es sich auch eine eigene "Geschichte" zurechtlegt, mit der es besser umgehen kann als mit der harten Wirklichkeit. Ähnliches gilt auch, wenn es darum geht, die leiblichen Eltern ausfindig zu machen (so weit das überhaupt möglich ist): Überlassen Sie es dem Kind, ob, wann und wie es das angehen will, aber unterstützen Sie es, soweit als erwünscht und möglich. Erinnern Sie sich dabei, dass es damals dem Entscheid seiner leiblichen Eltern völlig ausgeliefert war (und im übrigen auch Ihrem Entscheid es aufzunehmen!). Es ist deshalb umso wichtiger, dass es nun völlig frei und selbst entscheiden kann. Das gibt ihm eine gewisse Entscheidungsmacht zurück, die es damals nicht hatte und ermöglicht ihm, sich mit dieser Ohnmacht wenigstens teilweise zu versöhnen.

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Weiterführende Themen

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email