Anstandsregeln: Unterschied zwischen den Versionen

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==Anstand und Toleranz==
==Anstand und Toleranz==
Da Anstandsregeln nicht etwa von Natur aus gegeben sind, unterliegender sie sehr stark den kulturellen und sozialen Gegebenheiten der Familie und deren Umgebung.
Da Anstandsregeln nicht etwa von Natur aus gegeben sind, unterliegender sie sehr stark den kulturellen und sozialen Gegebenheiten der Familie und deren Umgebung. Kinder werden deshalb in einer ausgesprochen globalisierten Welt auf sehr unterschiedliche "Sitten und Gebräuche" stossen.
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Version vom 13. Juli 2018, 22:31 Uhr



ARTIKEL IM AUFBAU / IN ÜBERARBEITUNG!




Anstand in der Erziehung ist wohl eines der grössten Missverständnisse. Das hat damit zu tun, dass sich die meisten Eltern gar nicht im klaren sind, was sie erstens unter Anstand verstehen und was sie zweitens mit Anstandsregeln überhaupt bezwecken wollen. Fragt man etwas genauer nach, geht es in der Regel entweder um ein minimales Verständnis von Manieren (zum Beispiel beim Essen, um gegenseitigen Respekt oder Dankbarkeit, oder um ein Gemisch von allem.

Das Problem dabei ist, dass Manieren nicht von Natur aus entstehen, sondern je nach Kultur entwickelt werden oder gar ziemlich willkürlich festgelegt werden (Die Frage zum Beispiel, ob der Mann der Frau die Türe aufhalten soll, wird je denn auch ganz unterschiedlich beantwortet). Sie dienen denn auch kaum zur Entwicklung von gegenseitigem Respekt, sondern eher der Machterhaltung für denjenigen, der sie festlegt und durchsetzt. Wenn die Verletzung von Anstandsregeln dann auch noch bestraft wird, kann gar ein eigentlicher Teufelskreis entstehen, was für die Erziehung natürlich höchstt kontraproduktiv ist. Ginge es aber tatsächlich um Respekt, müssten sich Eltern zuerst Gedanken darüber machen, wie dieser entsteht.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Anstandsregeln sind grundsätzlich immer einschränkend. Schon allein deshalb machen sie in der Phase der Vertrauensbildung noch keinen Sinn! Um Vertrauen zu schaffen, müssen Sie zunächst "Ja" sagen können, und zwar grundsätzlich zu allem (ausser natürlich, es besteht eine wirkliche Gefahr). Zudem würden Kinder solche Regeln auch noch gar nicht verstehen, das heisst, sie wären damit schlicht überfordert. Wohl ist es möglich, schon Kleinkindern Anstandsregeln beizubringen, doch käme das mehr einer Dressur gleich!

Anstand macht in diesem Alter übrigens auch umgekehrt keinen Sinn. Sie brauchen Ihr Kind weder zu bitten ("Würdest Du bitte noch den Mund abwischen?") noch sich für irgendetwas zu entschuldigen ("Sorry, aber Du solltest zuerst noch den Mund abwischen."). Es dient dem Verständnis und somit dem Vertrauen viel mehr, wenn Sie mit ihm Klartext sprechen ("Komm, wisch noch den Mund ab!").

Etwas anderes ist es, wenn Sie Ihre Anstandsregeln weiterhin gegenüber Erwachsenen pflegen: Das Kind beobachtet Sie nämlich sehr genau und nimmt Sie schon von Natur aus zum Vorbild. Es kann dann selbst entscheiden, ob es ein bestimmtes Verhalten übernimmt (oder Sie zum Beispiel fragen, weshalb Sie dauernd "Danke" und "Bitte" sagen).

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Richtig aktuell werden Anstandsregeln, wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwicklen. Das Kind sagt dann plötzlich "Ich will, ...!" oder reagiert lauthals mit "Nein!" auf eine Aufforderung, der es bisher ohne weiteres Folge leistete. Das ist zunächst ein Zeichen für die gesunde Entwicklung, denn das Kind hat offenbar etwas vom wichtigsten überhaupt, nämlich einen eigenen Willen! Es weiss, was es will und äussert sich entsprechend. Entscheidend ist nun aber, wie Sie darauf reagieren. Denn jetzt müssen Sie zunächst einmal wissen, ob Sie das Anliegen des Kindes als "berechtigt" betrachten oder eher als "unverschämten Wunsch". Wenn das Kind zum Beispiel beim Frühstück sagt "Ich will Milch!", ist das nichts als als vernünftig und berechtigt. Wenn es aber Orangensaft verlangt (und Sie das nicht für nötig halten, etwa weil Sie der Meinung sind, es solle besser Milch trinken), müssen Sie eben so klar "Nein!" sagen, ihm also eine Grenze setzen. Gerade in dieser Phase hilft nur, wenn Sie sich laut und deutlich äussern - dafür nur ein Mal! So wie sich auch das Kind sehr direkt äussert, müssen Sie ihm auch direkt antworten, ansonsten es sehr schnell überfordert ist. Denn Kinder können in diesem Alter noch nicht mit Abstufungen oder gar Bedingungen umgehen: entweder es darf, oder es darf nicht.

Erst wenn Sie gelernt haben, dem Kind konsequent Grenzen zu setzen und auch mit seinen allfälligen Tobsuchtsanfällen umzugehen gelernt haben, können Sie zur nächsten Stufe gehen und mit ihm Vereinbarungen erarbeiten. Solche Vereinbarungen können dann auch Anstandsregeln betreffen. Allerdings werden Sie schnell feststellen, dass Kinder durchaus auch nach den Gründen für die Regeln nachfragen. Entweder sind dann Ihre Begründungen plausibel oder Sie sind zumindest bereit, diese mit dem Kind zu besprechen. Wenn Sie hingegen einfach sagen "Das ist halt so", verweigern Sie ihm eine echte Antwort, was für das Vertrauen nicht gerade förderlich ist.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Mit der Sozialisation erhalten Anstandsregeln endlich auch eine wirkliche Berechtigung, jedenfalls solange diese Regeln tatsächlich dem Zusammenleben dienen (und nicht einfach der Durchsetzung von irgendwelchen Machtansprüchen der Eltern oder Institutionen). So macht zum Beispiel die Regel, pünktlich in der Schule zu erscheinen, ganz offensichtlich Sinn, da sonst viele auf einen Einzigen warten müssten. Entscheidend für Anstandsregeln ist denn ruh einzig, dass Sie als Eltern deren Sinn erklären können und sich dann auch für die konsequente Durchsetzung verantwortlich fühlen.

Kinder können im übrigen ohne weiteres mit unterschiedlichen Regeln umgehen, haben also keine Mühe damit, wenn es zum Beispiel bei den Grosseltern nicht erlaubt ist, auf dem Sofa herumzuturnen. Solche Unterschiede können ja auch Sinn machen (weil die Grosseltern im Beispiel längst kein kindertaugliches Sofa mehr haben), was schon kleinere Kinder ohne weiteres verstehen, wenn es ihnen erklärt wird. Kinder können sogar damit umgehen, dass andernorts unsinnige Regeln gelten, jedenfalls wenn die Eltern bereit sind, auf entsprechende Fragen der Kinder Antwort zu geben.

Schliesslich können Sie es Ihrem Kind überlassen, welche Anstandsregeln es in seinem Umfeld zu übernehmen bereit ist, denn Kindern ist schon von Natur aus daran gelegen, dass sie sich in ihr Umfeld integrieren können. Wenn also zum Beispiel der Fussballtrainer fordert, dass ihm zur Begrüssung beim Training die Hand gegeben wird, wird sich das Kind (beziehungsweise der Jugendliche) ohne weiters damit arrangieren können. Entscheidend ist dabei, dass Sie dem Kind die Verantwortung für allfällige Konsequenzen überlassen (also im Beispiel im Extremfall einen neuen Fussballklub suchen).

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Anstand und Respekt

Respekt bedeutet vor allem Aufmerksamkeit und Achtung. Kinder entwickeln Respekt in gleichem Masse, wie ihnen die Eltern in den ersten Jahren Respekt entgegengebracht haben. Das heisst, es geht zunächst darum, dass Sie als Eltern lernen

Erst dann, also nach etwa vier Jahren, ist das Kind so reif, dass Sie von ihm Respekt erwarten können. Und erst dann können auch Anstandsregeln einigermassen Sinn machen. Denn Anstand, also Manieren oder gutes Benehmen, hat nur am Rande mit Vertrauen und Grenzen zu tun. Wenn Sie dem Kind zum Beispiel, jedes Mal nachdem Sie es zu Bett gebracht haben, an der Türe nochmals "Gute Nacht" zurufen, schafft schon alleine die Regelmässigkeit Vertrauen. Wenn Sie ihm stattdessen jeweils noch einen letzten Kuss geben, erreichen Sie genau das gleiche.

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Anstand und Grüssen

Viele Kinder werden schon sehr früh zum grüssen angehalten ("Hast Du Oma schon Hallo gesagt?"). Dabei geht vergessen, dass das Kind ja in der Regel nicht selbst entscheiden konnte, ob es die Oma überhaupt sehen wollte. Und auch wenn die Oma vielleicht normalerweise für das Kind die Liebste und Grösste ist, ist sie es eben in diesem Moment gerade nicht, weil etwas anderes wichtig ist. Das sollten Sie zumindest in den ersten Jahren auch respektieren (und der allenfalls beleidigten Oma erklären).

Noch heikler sind in diesem Zusammenhang eigentliche "Zwangsbeglückungen" für Begrüssungs- und Abschiedsrituale ("Onkel Max hat noch ein Küsschen zum Abschied verdient"). Wenn Kinder dazu angehalten oder gar gezwungen werden, ist das zumindest eine Grenzüberschreitung, wenn nicht gar von (emotionalem) Missbrauch gesprochen werden muss. Kinder sollten, genauso wie Erwachsene, selbst bestimmen dürfen, welche Nähe für sie stimmt und welche nicht. Sie haben dafür (noch) ein sehr feines Gespür, das Sie ihnen unbedingt lassen sollten (zumal es die weitaus beste Prävention gegen Missbrauch jeder Art ist!)!

Sie können also das Grüssen voll und ganz der Lust des Kindes überlassen. Und sich dafür überlegen, wie viele Situationen Sie selbst schon erlebt haben, in denn es Sie mehr ekelte denn erfreute, wenn Sie meinten, jemandem aus lauter Anstand zu nahe kommen zu müssen! So kann das Kinds selbst lernen, wo und wann es lieber Nähe oder Distanz markieren will.

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Anstand und Dankbarkeit

Ähnliches wie für Begrüssungsrituale gilt für Dankbarkeit: Viele Kinder werden regelrecht darauf gedrillt, nachdem sie irgendetwas erhalten haben, sofort "Danke" zu sagen. Auch das funktioniert selbst bei Kleinkindern, doch geht es dabei schon eher um Dressur denn um Erziehung. Denn erstens hat das mechanische Danke sagen nichts mit Dankbarkeit zu tun und zweitens werden Kindern laufend Dinge geschenkt, über die sie sich nicht oder zumindest im Moment nicht freuen, sodass sie also weder dankbar sein können noch sollen.

Dabei sind Kinder ja schon von Natur aus ausgesprochen dankbare Wesen: Wenn ihnen etwas gefällt, können sie ihre Freude unmittelbar zeigen. Ist ein Kinderlächeln wirklich nicht genug? Auch hier gilt: Überlassen Sie es dem Kind, ob und wie es sich bedankt. So lassen Sie ihm auch das Gespür dafür, was ihm wirklich gut tut und behüten es davor, etwas vorgeben zu müssen, was nicht ist. Denn ein unechtes Dankeschön ist zumindest ein Schwindel, wenn nicht gar eine Lüge!

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Anstand und Bitten

Als eigentliches Zauberwort wird es von Eltern häufig gegenüber Kindern bezeichnet: "Bitte". Doch die wenigsten Eltern haben jemals hinerfragt, welches eigentlich der Sinn ist, von ihren Kindern zu verlangen, sie sollten zum Beispiel um Essen bitten: Ist Essen nicht ein Grundbedürfnis des Kindes, das ihm ohne weiteres zusteht?

Zumindest in den ersten Jahren macht es denn auch wenig Sinn, von Kindern zu verlangen, sie sollten um etwas bitten: Kinder sollen zunächst einmal ihren Willen entwickeln und wenn dieser zu weit geht, sollen sie von ihren Eltern Grenzen gesetzt erhalten.

Bitten ist im übrigen auch umgekehrt alles andere als hilfreich, das heisst, wenn Eltern von ihren Kindern bitten, dies zu tun oder jenes zu lassen: Kinder brauchen in den ersten Jahren klare Ansagen, mit Verklausulierungen können sie nichts anfangen. Gerade in der Phase der Willensbildung ist vielmehr eine Art kategorischer Imperativ beziehungsweise ein laut und deutlich ausgesprochenes "Nein!" verlangt.

Erst wenn das Kind gelernt hat, mit seinem Willen respektvoll umzugehen, ist es genügend reif, um sich nuancierter auszudrücken. Das wird es aber ganz allein und von sich aus tun, da es erfahren hat, wo und in welchen Situationen was nötig ist. Denken Sie einfach daran, dass es Sie zum Vorbild nimmt und sehr genau beobachtet, mit welchen Mitteln es am besten sein Ziel erreichen kann!

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Anstand und Toleranz

Da Anstandsregeln nicht etwa von Natur aus gegeben sind, unterliegender sie sehr stark den kulturellen und sozialen Gegebenheiten der Familie und deren Umgebung. Kinder werden deshalb in einer ausgesprochen globalisierten Welt auf sehr unterschiedliche "Sitten und Gebräuche" stossen. ...

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Anstand und Vernunft

Anstandsregeln sind also nicht etwa naturgegeben und deshalb dem Kind auch nicht in irgendeiner Weise angeboren. Häufig sind sie auch nicht gerade besonders vernünftig, sondern werden viel mehr nach dem Motto „Das macht man halt so.“ eingehalten: Was ist etwa der Grund, dass man am Esstisch kein Messer ablecken soll? Bereits kleine Kinder können das nämlich ohne jegliche Gefahr, sich in die Zunge zu schneiden. Wo doch die Gefahr, sich mit einer Gabel in die Zunge zu stechen, ungleich grösser ist! Trotzdem können Kinder solche Regeln dem Alter entsprechend durchaus erlernen. Und Kinder werden zudem sehr schnell erkennen, dass zum Beispiel bei der Patin andere Regeln gelten als zu Hause. Und während man sich in England anstandshalber dafür entschuldigt, seine Umgebung mit Niesen erschreckt zu haben, erwarten wir auf dem Festland, dass uns „Gesundheit“ gewünscht wird, obwohl Niesen in der aller Regel rein gar nichts mit einer drohenden Krankheit zu tun hat.

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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