Beachtung

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Beachtung ist ein Grundbedürfnis des Kindes. Das Kind hat eine eigenständige und einmalige Persönlichkeit, für die es von seinen Eltern beachtet werden will. Jedes Kind ist etwas ganz Besonderes, ganz gleich welche Fähigkeiten es hat oder nicht hat. Das bedeutet allerdings nicht, dass es dauernd im Mittelpunkt stehen muss.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Kinder wollen zunächst um ihrer selbst willen beachtet werden, einfach weil sie da sind, bei ihren Eltern. Beachtung bedeutet Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind. Beobachten Sie von Anfang an die Mimik und die Gestik das Kindes und Sie werden sehr schnell spüren, wann das Kind Kontakt zu Ihnen sucht. Dieses Suchen des Kindes sollten Sie möglichst immer erwidern, indem Sie das Kind anschauen, seinen Namen nennen oder es berühren oder gleich in die Arme nehmen. Durch diesen Kontakt bestätigen Sie das Vertrauen des Kindes in das Leben. Das Kind erfährt so, dass Sie um es kümmern und kann entsprechendes Selbstvertrauen entwickeln.

Kinder können Beachtung notfalls auch ziemlich vehement verlangen, indem sie zum Bespiel zu schreien oder gar zu schlagen beginnen. Als Eltern sollten Sie in dieser Phase aber nicht so lange warten, sondern möglichst schon beim ersten Mal reagieren, wenn es das Kind verlangt ("Papa, schau mal!"), auch wenn Sie dadurch unterbrochen werden. Kinder können in diesem Alter nicht warten, da sie noch keine Zukunft kennen, alles geschieht im Hier und Jetzt. Auch Anstand ist in diesem Alter noch keine Thema, es wäre schlicht eine Überforderung. Das mag anstrengend sein, wird sich allerdings schon bald lohnen. Wenn das Kind in dieser Phase nämlich seine Grundbedürfnisse immer schnell und verlässlich befriedigt sieht, wird es schon bald und vor allem sehr viel einfacher auch warten können: Durch die wiederholte Erfahrung, dass ihm immer zuverlässig geholfen wird, gewinnt es Vertrauen in das Leben und kann schon bald bestens mit seinen Eltern kooperieren. Zuvor muss es aber zwingend Vorrang haben!

Beachtung bedeutet auch, dass Sie die Emotionen des Kindes wahrnehmen. Wenn ein Kind zum Beispiel schreit, fehlt ihm immer etwas, sei es dass es traurig ist, sei es dass es Schmerzen hat. Sie sollten sich dabei aber bewusst sein, dass Sie immer nur die Emotionen des Kindes wahrnehmen können (wie zum Beispiel Lachen, Weinen, Schreien), die Gefühle dahinter (wie Freude, Angst, Wut, Trauer oder Schmerz) hingegen können Sie grundsätzlich bloss erahnen. Gewöhnen Sie sich deshalb möglichst von Anfang an, das Kind nach seinen Gefühlen zu fragen, auch wenn es für Sie offensichtlich sein mag, um was es geht ("Hast Du Angst?" oder "Macht es Dir weh?"). Durch die naturgemäss enge Beziehung zwischen Eltern und Kind ist die Versuchung nämlich gross, die Emotionen zu interpretieren, so wie es für die Eltern selbst stimmen mag, aber nicht zwingend auch für das Kind gelten muss.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Später, das heisst wenn das Kind ab etwa dem dritten Lebensjahr beginnt seinen Willen zu entwickeln, kommt der Beachtung eine ganz neue Bedeutung hinzu. Es sagt zum Beispiel lauthals "Ich will das!" oder "Ich will dort hinauf!". Dem müssen Sie nun entgegenhalten können (jedenfalls dann, wenn Sie damit nicht einverstanden sind). Und wenn das Kind zu toben beginnt, dürfen Sie es nicht einfach ignorieren, sondern müssen aufmerksam bei ihm bleiben und lernen angemessen zu reagieren. Beachten heisst also auch, das Kind zu beobachten, ob es gegen Ihren Willen Grenzen überschreitet. Wenn es zum Beispiel heimlich an den Kühlschrank geht, müssen Sie sich erstens im Klaren sein, ob Sie das dulden wollen und sich zweitens entscheiden, wie Sie reagieren. Einfach wegschauen oder sich gar über die Situation amüsieren, hilft dem Kind bloss vordergründig. In Tat und Wahrheit meiden Sie nämlich den Kontakt und verhindern dadurch die Beziehung. Zudem weiss das Kind nicht, ob irgendwelche Regeln gelten. Sie dürfen sich also nicht davor scheuen, dem Kind auch konsequent "Nein!" zu sagen.

In dieser Phase brauchen Kinder zudem Herausforderungen, seien es körperliche, seien es solche, die ihre kognitive Fähigkeiten fordern. Dabei brauchen Sie kaum zu befürchten, dass sie sich selbst überfordern würden. Beobachten Sie einfach, ob es dem Kind Freude macht, dann dürfen Sie es auch anspornen oder ihm zum Beispiel Wettrennen vorschlagen. Und es wird sich natürlich über alle ihre Komplimente zu seinen Leistungen freuen.

Umgekehrt müssen Sie aber auch das "Nein!" des Kindes beachten, schon bloss Ihrer Vorbildfunktion wegen! Wenn das Kind die Schuhe nicht anziehen will, müssen Sie es lassen - dafür aber konsequent bleiben! Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass Sie einfach so lange warten, bis das Kind nachgibt, dass Sie einen Tobsuchtsanfall aushalten (und lernen auf diesen angemessen zu reagieren) oder das Kind ohne Schuhe nach draussen gehen lassen und es erfahren lassen, wie es friert (es wird Ihnen durch diese Erfahrung beim nächsten Mal garantiert vertrauen!).

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Das Bedürfnis beachtet zu werden, ist zwar ein Grundbedürfnis und muss deshalb vor allem während den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung vorrangig und seiner selbst Willen befriedigt werden. Oder anders gesagt: das Kind will auch für seine ganz normale Entwicklung beachtet werden, unabhängig davon, ob es sich dafür besonders anstrengen musste.

Doch auch reife Kinder freuen sich, genauso übrigens wie Erwachsene, über Anerkennung und Lob. Allerdings dürfen Sie jetzt gewissermassen etwas wählerischer werden und sich eher auf die Leistungen oder Erfolge beschränken, die Sie selbst tatsächlich für besonders halten. Reife Kinder können nämlich durchaus damit umgehen, dass ihre Eltern nicht mehr einfach bedingungslos alles bewundern, bloss weil es ihre eigenen Kinder sind, sondern auch ihre eigenen Wertvorstellungen miteinbeziehen.

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Mögliche Folgen mangelnder Beachtung

Weil Beachtung ein Grundbedürfnis des Kindes ist, kann das Kind nicht einfach darauf verzichten lernen. Vielmehr wird schon sein Lebenswille dafür sorgen, dass es erhält, was es braucht. Anfangs wird es einfach schreien, bis sich jemand seiner erbarmt, später wird es aber noch geschicktere Wege finden, um auf sich aufmerksam zu machen:

  • Schreien: Solange sich das Kind noch nicht anders mitteilen kann, schreit es und es liegt an den Eltern herauszufinden, was ihm fehlt. Doch wird es sich meistens schon dadurch beruhigen, dass es beachtet, also gehört und in die Arme genommen wird. Das wird ihm in aller Regel Trost genug sein.
  • Stören: Wenn das Kind Ihnen zum Beispiel etwas zeigen will, das Sie nicht interessiert und Sie es in der Folge zu ignorieren versuchen, wird es mehr oder weniger feine bis rabiatere Mittel finden, durch Stören auf sich aufmerksam zu machen.
  • Provozieren: Hat das Kind erst einmal "gelernt", wie es die Aufmerksamkeit seiner Eltern gegen deren Willen erzwingen kann, wird es immer geschicktere Mittel finden, um eine Reaktion provozieren zu können, der Phantasie sind dann sprichwörtlich keine Grenzen mehr gesetzt! Wenn sich die Eltern dann auch noch über die Provokationen nerven, hat das Kind sein Ziel immerhin zu einem Teil erreicht (Beachtung eben). Wichtig wäre aber natürlich, dass diese Beachtung in einem positiven Zusammenhang stünde. Denn sonst entsteht ein eigentlicher Teufelskreis.
  • Schlagen: Kinder sind in den ersten Jahren noch sehr körperlich, zumal ihre kognitiven Fähigkeiten noch nicht so weit entwickelt sind, um sich genügend verständigen zu können. Sie kämpfen deshalb noch bevorzugt mit Händen und Füssen. Wenn Sie das dann auch noch ignorieren, statt eine Grenze zu setzen und konsequent "Nein!" zu sagen, ist der Teufelskreis perfekt. Wenn sich das Kind körperlich Gehör verschaffen muss, ist es für Sie als Eltern gewissermassen die letzte Chance Ihrem Kind Beachtung zu schenken!
  • Protest und Opposition: Kinder können auch Beziehung erwirken, indem sie einfach gegen das, was von den Eltern kommt, protestieren, auch das wirkt immer, allerdings eben auch nicht auf eine positive Art. Wenn Sie vom Kind erwarten, dass es mit Ihnen kooperiert - wozu Kinder ja von Natur schon sehr gerne bereit sind! -, dann müssen Sie eine Art Vorleistung erbringen, indem Sie die Grundbedürfnisse des Kindes in den ersten Jahren möglichst immer vorrangig befriedigen.
  • Idealisierung: Wenn das Kind zu wenig beachtet wird, verliert es den Bezug zu seinen Eltern, die es eigentlich von Natur aus zum Vorbild nehmen würde. Es sucht dann in seiner Sehnsucht nach Beziehung einen Ersatz und findet diesen häufig in Idolen (wobei auch durchaus die Eltern selbst idealisiert werden können!). Das Problem dabei ist, dass Idole regelmässig unerreichbar sind und deshalb die ersehnte Beziehung gar nicht realisiert werden kann.

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Mögliche Folgen übermässiger Beachtung

Es gibt heutzutage aber auch mehr und mehr Eltern, die in die andere Richtung übertreiben und ihr Kind wie einen Star in den Mittelpunkt zu setzen versuchen. Die Folgen sind allerdings für das Kind selbst weniger gravierend, dafür für die Umwelt eher lästig bis peinlich:

  • Überbehüten: Kinder wollen schon sehr früh eigene Erfahrungen machen. Lassen Sie das Kind deshalb zuerst einmal selbst ausprobieren, wie es im Sandkasten zurecht kommt. Es wird von sich aus nach Ihnen verlangen, wenn es Sie braucht. Beobachten Sie einfach aus einer gewissen Distanz und wenn es sich zum Beispiel mal mit der Schaufel weh tut, warten Sie, bis es nach Ihnen ruft. Häufig ist es nämlich so, dass sich das Kind ganz gut selbst helfen kann, wenn es ungestört ist!
  • "Projekt Kind": Vielfach tendieren gerade Eltern mit guter Bildung und reiflicher Berufserfahrung dazu, aus dem Kind eine Art Projekt zu machen, indem sie sich der detailliert überlegen, was aus dem Kind werden soll und wie sie dieses Ziel am besten erreichen. Das mag gut gemeint sein, doch darf nicht vergessen gehen, dass das Kind seine eigene Persönlichkeit mitbringt und deshalb seinen Weg selbst suchen muss. Dazu gehört eben auch, dass es Dinge ausprobieren kann, von denen Sie aufgrund Ihrer Lebenserfahrung zu wissen glauben, dass es eh nichts bringt und es stattdessen lieber "gezielt und effizient fördern" wollen. Das ist zwar durchaus möglich und mag auch "erfolgreich" sein, doch ist das Gefahr gross, dass die Eltern einen geradezu sportlichen Ehrgeiz entwickeln und zu Trainern und Lehrern ihrer Kinder werden. Diese Aufgaben sollten Sie aber besser Dritten überlassen, da sich das Kind sonst nicht genügend von Ihnen lösen kann und sich die Freiheit irgendwann womöglich mit Gewalt erkämpfen muss.
  • "Machos" und "Zicken": Wenn Kinder von ihren Eltern wie kleine Prinzessinnen oder Stars behandelt werden, ihnen insbesondere keine echten Grenzen gesetzt werden, ist die Gefahr gross, dass sie entweder grössenwahnsinnig werden oder wählerisch werden. Vor allem in der Phase der Pubertät zeigt sich das dann in Form von eigentlichen Machos beziehungsweise Zicken.

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