Beeinflussen

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Kinder kommen mit einer eigenen, vollkommenen Persönlichkeit zur Welt, die möglichst ungehindert entfaltet werden soll. Denn nur so kann das Ziel der Erziehung, Selbständigkeit und Beziehungsfähigkeit, erreicht werden. Allerdings nehmen Kinder schon von sich aus ihre Eltern zum Vorbild, und zudem ganz unabhängig davon, ob es sich dabei um eine positive oder negative Eigenschaft handelt. Diese, gewissermassen passive, Beeinflussung können Sie nicht vermeiden und sie ist durchaus sinnvoll, da das Kind auf diese Art und Weise ganz Wesentliches, wie zum Beispiel die Sprache, erlernt. Darüber hinaus sollten Sie Ihr Kind nicht absichtlich zu beeinflussen versuchen. Die unerwünschte Beeinflussung ist schliesslich zu unterscheiden von Regeln, die Sie aufstellen, beziehungsweise mit dem Kind vereinbaren.

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Formen des Einflusses

Eltern beeinflussen ihre Kinder in der Regel unbewusst, oder doch zumindest in wohlgemeinter Absicht. Aus der Sicht einer liberalen Erziehung sind die Grenzen zwischen erwünschter und unerwünschter Einflussnahme allerdings ziemlich fliessend. Es lohnt sich deshalb über Ihre Motivation nachzudenken.

Vorbild

Kinder lernen von sich aus und vor allem durch Erfahrung und Nachahmung. Zum Vorbild nehmen sie grundsätzlich alle Menschen in ihrer Umgebung, in erster Linie aber die, denen sie am meisten vertrauen, also Sie. So lernt das Kind zu sprechen, zu laufen oder mit Besteck zu essen. Eine solche Beeinflussung ist also zunächst durchaus positiv. Als Eltern müssen Sie sich bloss bewusst sein, dass Kinder keinen Unterschied zwischen erwünschtem und unerwünschtem Verhalten machen. Sie werden also zum Beispiel auch ganz unbedacht Ihre Kraftausdrücke übernehmen. Denn sie vertrauen Ihnen ja zumindest anfangs vollkommen, finden also alles gut, was von Ihnen kommt! Gleiches gilt auch für Anstandsregeln. Den Sinn solcher Regeln können Kinder in den ersten Jahren allerdings noch kaum verstehen, da zum Beispiel Tischmanieren eher selten eine natürliche Begründung haben, sondern vielmehr kulturell bedingt sind. Floskeln wie “Bitte", "Danke", "Gern geschehen“ werden deshalb bestenfalls mechanisch nachgeplappert. Warten Sie also zu, bis Sie das Kind nach dem Sinn fragt und erklären Sie ihm, um was es geht (gut möglich, dass Sie dabei Mühe haben und die eine oder andere Regel als Unsinn entsorgen werden!).

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Sanfter Druck und Motivation

Kinder brauchen an sich nicht speziell motiviert zu werden, wollen sie sich doch schon von sich aus entwickeln und unternehmen dazu alles, was ihnen zur Verfügung steht! Allerdings tun sie dies immer erst, wenn der Zeitpunkt für sie der richtige ist, während Sie vielleicht an einen bestimmten Zeitplan gebunden sind, wie ihn die westliche Zivilisation nun einmal mit sich bringt. Ein wenig "sanfter Druck" kann da manchmal Wunder wirken, ohne dass Sie sich Gedanken darüber machen müssten, ob das noch zulässig ist oder nicht. So könnten Sie zum Beispiel, wenn Sie sehen, dass es knapp wird den Bus zu erreichen, dem Kind ein Wettrennen vorschlagen ("Wer hat zuerst die Schuhe angezogen?"). Gerade wenn es darum geht, dem Kind gewisse Dinge abzugewöhnen, wie zum Beispiel das Trinken aus der Flasche oder den Schnuller, können solche "Tricks" gut funktionieren. So könnten Sie zum Beispiel den Wunsch des Kindes, dass Sie mit ihm herumtollen, davon abhängig machen, dass es den Schnuller aus dem Mund nimmt ("Raufen geht nur ohne Schnuller!"). Es macht so die Erfahrung, dass es etwas Attraktiveres gibt, wenn es auf etwas verzichtet. Die Grenze zum Schummeln ist natürlich fliessend und wenn das Kind offensichtliches Schummeln durchschaut hat (was es schneller kann, als Sie denken!), kann Ihr Verhalten schnell kontraproduktiv werden. Sie sollten deshalb aufgrund Ihrer Erfahrungen mit solchen Situationen ein Gespür dafür entwickeln, wie weit Sie gehen dürfen.

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Suggestion

Heikel wird es, wenn Eltern ihren Kindern Dinge einreden, die gar nicht stimmen, also etwas suggerieren. Denn Kinder vertrauen von Natur aus ihren Eltern und können aufgrund ihrer noch beschränkten kognitiven Fähigkeiten die elterlichen Absichten nicht beurteilen. Allerdings haben sie ein sicheres Gespür für Unstimmigkeiten und werden diese sehr wohl wahrnehmen (zum Beispiel als Doppelbotschaften), was zu Verunsicherung führt und für die Entwicklung eines gesunden Selbstvertrauens hinderlich sein kann. Wenn Sie dem Kind also im obigen Beispiel weiszumachen versuchen, dass der Bus böse sein werde, wenn Sie ihn verpassen, wird es das zunächst glauben, da es Ihnen ja vertraut, aber spätestens beim zweiten Mal feststellen, dass da etwas nicht stimmen kann.

Besonders problematisch ist das Münchhausen-Stellvertretersyndrom, wenn Eltern ihren Kindern eigentliche Krankheiten einreden und entsprechende Behandlungen zu erreichen versuchen.

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Manipulation

Wird die Wahrnehmung des Kindes absichtlich mit falschen Behauptungen zu beeinflussen versucht, spricht man von einem manipulierenden Verhalten der Eltern. Das ist besonders perfid, da das Kind ja von Natur aus seinen Eltern vertrauen, dieses Vertrauen nun aber dem eigenen Gespür widerspricht, sodass es schliesslich weder ein noch aus weiss: Das Kind muss sich zwischen sich selbst und seinen Eltern entscheiden, was im schlimmsten Fall zu einer gravierenden Persönlichkeitsspaltung führen kann.

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Beeinflussung und Regeln

Manche Eltern wollen ihre Kinder bewusst beeinflussen, um ihnen bestimmte Wertvorstellungen mitzugeben, oder umgekehrt ihre Kinder vor “schlechten Einflüssen“ zu bewahren. Diese Absicht mag gut gemeint sein, doch geht es im Grunde genommen um etwas anderes, nämlich um Respekt während den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung:

  • Vertrauensbildung: Als Eltern müssen Sie lernen, die Grenzen des Kindes zu respektieren und ihm sein Gespür zu lassen. So kann das Kind Selbstvertrauen aufbauen und später selbst beurteilen, was ihm guttut und wovon es sich besser distanziert. Vertrauen Sie den Kräften und Fähigkeiten des Kindes. Sein Verstand mag zwar noch in der Entwicklung sein, doch sein Gespür hat es bereits von Geburt an. Sie müssen es also nicht etwa "zur Vernunft bringen", es hat bereits Vernunft!
  • Willensbildung: Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, müssen Sie lernen, dem Kind auch Grenzen zu setzen, wenn es mit seinem Willen zu überborden droht. Das beste Mittel dazu sind Regeln. Kinder, die von ihren Eltern erfahren konnten, wie mit Regeln umzugehen ist, können dies auch ausserhalb der Familie. Und zusammen mit ihrem von Natur aus vorhandenem Gespür werden sie fähig sein, nicht nur Grenzen einzuhalten, sondern ihre eigenen Grenzen gegenüber ihrer Umwelt zu behaupten.

Wenn Sie es also geschafft haben, während diesen ersten Jahren gegenseitigen Respekt aufzubauen, brauchen Sie keine Angst vor schlechten Einflüssen zu haben. Und Ihre Wertvorstellungen wird das Kind sowieso ziemlich genau so übernehmen, wie Sie ihm diese tatsächlich vorgelebt haben! Je mehr Sie dem Kind hingegen aufzwingen wollen, desto grösser wird die Wahrscheinlichkeit, dass es früher oder später dagegen protestieren wird. Es wird dann spätestens in der Pubertät zunächst einmal genau das Gegenteil von dem tun wollen, was sie beabsichtigten und frühestens danach fähig sein, seinen eigenen Weg zu finden. Dazwischen liegen regelmässig unendliche und für alle Beteiligten äusserst aufreibende Kämpfe, die rückblickend als pure Energieverschwendung erkannt werden.

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Mögliche Folgen übermässiger Beeinflussung

Als Eltern sollten Sie also darauf achten, dass Sie die Entwicklung Ihre Kinder möglichst wenig beeinflussen und dafür offen bleiben, deren eigene Persönlichkeit zu entdecken. Vorbild, im positiven wie im negativen Sinne, bleiben Sie sowieso - und ein wenig "sanfter Druck" ist selbstverständlich auch zulässig. Es ist also vor allem eine Frage des Masses. Wenn Sie Ihre Kinder zu sehr beeinflussen, kann das je nach Persönlichkeit verschiedene Folgen haben:

  • Mangelndes Selbstvertrauen: Wird das Gespür des Kindes immer wieder übergangen und durch die Meinung der Eltern ersetzt, wird das Kind irgendwann seiner selbst nicht mehr trauen und entsprechend wenig Selbstvertrauen entwickeln.
  • Mangelnde Selbständigkeit: Werden dem Kind immer wieder Entscheidungen abgenommen, die es eigentlich dank seinem Gespür selbst treffen könnte, bleibt es zu sehr von seinen Eltern abhängig.
  • Protest: Manche Kinder beginnen sich gegen die elterliche Übermacht zu wehren, typischerweise in der Pubertät, und zwar je heftiger, desto übermässiger die Beeinflussungsversuche waren. Im Extremfall verfallen sie in eine Totalverweigerung und können erst danach beginnen, sich selbst zu finden.
  • Unehrlichkeit: Häufig wissen übermässig beeinflusste Kinder gar nicht mehr, was sie selbst spüren und was von den Eltern stammt. Sie beginnen dann, ihre Antworten und Äusserungen den Erwartungen der Umgebung anzupassen, statt offen und ehrlich zu bleiben.
  • Bequemlichkeit: Kinder können auch resignativ reagieren, wenn sie merken, dass sie eh der elterlichen Meinung ausgeliefert sind. Wenn sie sich dann womöglich noch den Vorwurf der Bequemlichkeit gefallen lassen müssen, ist der Teufelskreis perfekt.

Eine übermässige Beeinflussung des Kindes kann also äusserst kontraproduktiv sein, gerade wenn das Kind damit vor "schlechten Einflüssen" seiner Umwelt bewahrt werden soll. Denn das Kind, das seinen Eltern ja zumindest anfangs noch vollkommen vertraut, betrachtet deren Beeinflussung als normal und läuft so viel eher Gefahr, später auch von seiner Umwelt beeinflusst zu werden, da es den Mechanismus bereits verinnerlicht hat.

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


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