Bequemlichkeit des Kindes

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Kinder haben von ihrem Temperament zwar unterschiedlich viel Tatendrang, doch bewirkt schon allein der Lebenswille, dass jedes Kind von Natur aus mindestens so viel unternimmt, wie es für sein Leben braucht. Wenn es sich zu wenig für sein Leben einsetzt, hat das weniger mit seiner Natur zu tun als mehr mit dem Verhalten der Eltern. Die Erziehungsfehler sind zwar eher subtiler Natur, passieren aber regelmässig in den ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung, sodass sie sich sehr fatal auswirken können. In diesem Sinne gibt es denn auch keine bequemen Kinder, sondern höchstens solche, die dazu erzogen wurden.

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Mögliche Ursachen

Kinder sind von Natur ausgesprochen aktiv, sie bewegen sich gerne, lernen von sich aus und beteiligen sich wo immer möglich am elterlichen Leben. Sie sind also alles andere als bequem. Wenn sie von sich aus aufhören und loslassen, hat das in erster Linie damit zu tun, dass sie Erholung brauchen, sei es Schlaf, sei es Abwechslung. Die Ursache für Bequemlichkeit im Sinne von Faulheit hat denn auch nichts mit dem Kind zu tun, sondern einzig mit dem Verhalten der Eltern. Ganz allgemein geht es um mangelndes Vertrauen der Eltern in die Grundbedürfnisse und in die Fähigkeiten des Kindes:

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Nachhelfen

Wenn Sie dem Kind bei seinen ersten, noch ungelenken Bewegungen nachhelfenist das zwar gut gemeint, aber doch ausgesprochen kontraproduktiv, zumal wenn Sie es gar nicht gefragt haben, ob Sie ihm behilflich sein sollen. Im Grunde genommen ist es ein Zeichen mangelnden Vertrauens in die Fähigkeiten des Kindes. Gehen Sie immer davon aus, dass Ihr Kind grundsätzlich alles kann, was es im Moment gerade für sein Leben braucht. Zwar ist es wortwörtlich auf Gedeih und Verderb von Ihnen abhängig, doch sorgt schon allein sein Lebenswille dafür, dass es möglichst bald möglichst alles selbst tun kann. Unverlangte Hilfe ist denn auch der weitaus wichtigste Grund dafür, dass Kinder bequem werden: Wenn das Kind Ihr Vertrauen nicht spürt, wird es seinerseits irgendwann aufhören, sich selbst zu vertrauen oder gar schlicht resignieren. Im besseren Fall protestiert das Kind aber je länger desto mehr gegen Ihre helfenden Hände. Betrachten Sie das als Zeichen seiner gesunden Entwicklung und lassen sie es selbst ausprobieren: es kann wenig schief gehen und auch die Gefahren sind selten ernst. Und wenn Sie doch einmal sehen, dass Ihr Kind in Not ist, weil es zum Beispiel nicht mehr vom Baum runter kann, fragen Sie es immer zuerst, ob Sie ihm helfen sollen, bevor Sie einfach von sich aus tätig werden.

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Unverlangte Hilfe der Eltern

Kinder lassen sich von Natur aus gerne helfen und helfen eigentlich auch selbst gerne, denn Hilfe hat viel mit Vertrauen und Beziehung zu tun. Allerdings muss die Hilfe auf Freiwilligkeit beruhen. Das liegt zunächst in der Verantwortung der Eltern. Bieten Sie dem Kind Hilfe nur dann an, wenn es diese auch von sich aus verlangt. Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie das Kind, auch wenn es noch nicht sprechen kann, das gibt ihm das Vertrauen, dass es ernst genommen wird. Es wird Ihnen auch ohne Worte, durch seine Mimik und Gestik, antworten.

Kinder, denen Hilfe aufgezwungen wird, erleben dieses nicht mehr als verbindend, sondern als trennend, denn es ist eine Art Grenzüberschreitung, die das Vertrauen stört. Lernen Sie deshalb, von Anfang an den Fähigkeiten zu vertrauen und staunen Sie über den Mut des Kindes, dauernd Neues zu lernen.

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Abgelehnte Hilfe des Kindes

Kinder werden gerne in den Alltag ihrer Eltern miteinbezogen, zumal sie ja deren Tätigkeiten zum Vorbild nehmen. Besonders beim Kochen sind sie gerne mit dabei und würden gerne mithelfen. Dem sollten Sie möglichst nachkommen, auch wenn Ihnen das Kind natürlich noch keine wirkliche Hilfe ist, wenn es möglichst schnell gehen muss. Doch irgendetwas gibt es immer zu tun, wenn es bloss das Sortieren von Rüstabfällen ist. Wenn Sie hingegen die "Hilfe" des Kindes dauernd ablehnen, erlebt das Kind Hilfe als etwas Negatives, statt dass es sich mit Ihnen freuen kann. Durfte das Kind in den ersten Jahren nicht mithelfen, erstaunt es wenig, dass es später kaum freiwillig bereit sein wird Ihnen zu helfen.

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Behindern

Noch einen Schritt weiter gehen Eltern, die ihre Kinder förmlich behindern. Das geschieht immer dann, wenn Sie meinen, Sie müssten zum Beispiel das Kind an den Armen führen, sodass es eine neue Bewegung besser lernen würde. Das ist höchst kontraproduktiv, denn das Kind muss selbst ausprobieren können, wie etwas am besten funktioniert. Dabei sind Missgeschicke unerlässlich, da es genau aus solchen Erfahrungen lernt. Sie sollten deshalb lernen, dass Sie dem Kind von Anfang Herausforderungen zutrauen und zumuten dürfen, ja sollen. Selbstverständlich wird es sich dabei immer wieder mal weht tun und braucht Ihren bedingungslosen Trost. Wenn Sie es hingegen vor jeder Bagatellgefahr behüten wollen, wirkt sich das sehr schnell ausgebrochen kontraproduktiv aus.

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Bewegungsmangel

Kinder brauchen nicht nur sehr viel Bewegung, sondern sie wollen sich auch sehr spontan bewegen können. Das kommt Eltern im modernen Alltag häufig ungelegen, weil zum Beispiel gerade mit Auto losgefahren werden soll oder die Wohnung für Kinder nicht geeignet eingerichtet ist und überall vermeintliche oder wirkliche Gefahren drohen. Es ist denn auch häufig die eigene Bequemlichkeit der Eltern, die Kinder zu wenig bewegen lässt. Wenn sich Kinder aber zu wenig bewegen können, werden sie ihre überschüssige Energie anderweitig ausleben müssen, in aller Regel auf eher störende Art.

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Überängstlichkeit

Eine weitere Ursache sind überängstliche Eltern, die zu oft dem Kind Dinge abnehmen, die es eigentlich selbst könnte, aus lauter Angst vor vermeintlichen Gefahren. Selbstverständlich müssen Sie Ihr Kind vor echten Gefahren schützen, doch in aller Regel handelt es sich, gerade bei Kleinkindern, deren Aktionsradius und Kräfte ja noch beschränkt sind, um blosse Bagatellgefahren, also Missgeschicke, die zwar schmerzhaft sein können, aber kaum je zu Verletzungen führen können, jedenfalls zu keinen ernsthaften. Sie sollten deshalb lernen mit solchen Leiden des Kindes umzugehen, indem Sie zwar mitfühlen, aber nicht mitleiden und das Kind dafür bedingungslos trösten. Gerade wenn Kinder laufen lernen müssen sie auch hinfallen können, um irgendwann das Gleichgewicht finden zu können. Dabei hilft ihnen schon allein der "Babyspeck", dass kaum etwas ernsthaftes passieren kann.

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(Negatives) Verwöhnen

Kinder haben in der Phase der Vertrauensbildung ausschliesslich Grundbedürfnisse, die Sie wann immer möglich sofort und bedingungslos befriedigen sollten. Sie müssen aber auch immer abwarten, bis das Kind danach verlangt und ihm nicht schon zum voraus zum Beispiel Essen oder Trinken anbieten, bloss weil Sie meinen, es sei nun wieder Zeit dazu. Geben Sie dem Kind alles, was es braucht, aber auch nur das, was es tatsächlich braucht, ansonsten es auf eine ungute Art verwöhnt wird. Das gilt noch in einem gesteigertem Masse, wenn das Kind beginnt, seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr. Dann gehen seine Wünsche plötzlich weit über seine Grundbedürfnisse hinaus. Sie müssen ihm zum Beispiel Forderungen Ihrerseits entgegenhalten, sodass es auch etwas leisten muss und zeigen muss, dass es ihm etwas wert ist.

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Fehlende Herausforderungen

Kinder brauchen und lieben Herausforderungen, gerade in der Phase der Willensbildung ist ihnen kein Baum zu hoch um hochzuklettern und kein Bach zu tief um ihn zu durchwaten. Muten Sie Ihren Kindern zu, dass sie genügend Energie und Geschicklichkeit dazu haben, Sie werden gleich einen doppelten Nutzen haben: erstens werden die Kinder müde und gehen am Abend gerne zufrieden schlafen und zweitens werden sie am Morgen danach durch die Erfolge, etwas aus eigener Kraft erreicht zu haben, zu noch mehr ermutigt. In aller Regel brauchen Kinder dazu nicht speziell ermuntert zu werden, Sie müssen Ihnen bloss die Gelegenheit dazu verschaffen, am besten in der freien Natur.

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Mangelnde Verantwortung

Menschenkinder sind zwar bei ihrer Geburt auf Gedeih und Verderb auf die Sorge ihre Eltern angewiesen, doch können sie schon bald mehr und mehr Verantwortung übernehmen. Das beginnt schon damit, dass sie auf sich aufmerksam machen, wenn ihnen etwas fehlt, aus wenn es bloss durch Schreien ist. In der Phase der Vertrauensbildung hat das Kind ausschliesslich Grundbedürfnisse, also solche, die es schon allein durch seine Mimik und Gestik äussern kann. Lasen Sie deshalb das Kind entscheiden, wann es zum Beispiel essen will: es spürt seinen Hunger besser als jede Uhr! Wenn Sie diese Haltung von Anfang an einnehmen, wird sich das Kind entsprechend schneller für sich und sein Leben verantwortlich fühlen und irgendwann selbst handeln, statt einfach auf die Hilfe der Eltern zu warten. Sie müssen dann bloss noch in Kauf nehmen können, dass es auch Dinge entscheidet, die Sie ihm (noch) nicht überlassen wollen, wenn es zum Beispiel plötzlich herausgefunden hat, wie es den Kühlschrank öffnen kann und sich selbst bedient. Dann wäre es an der Zeit, ihm die Regeln zum Thema Essenzeiten zu erklären, es dafür aber beim Kochen miteinzubeziehen. Wenn Sie hingegen dauernd selbst für das Kind entscheiden, wird es im besten Fall protestieren, im schlechteren Fall aber resignieren. Ein Kind, das resigniert, überlässt nur zu gerne die Verantwortung - aber auch seine Aufgaben! - den Eltern, und wird von diesen dann womöglich noch als "bequem" betitelt.

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Motorisierte Mobilität

Auto statt Fahrrad fahren fördert nicht nur die Bequemlichkeit der Eltern, sondern natürlich noch mehr die der Kinder. Nehmen Sie die Geburt Ihrer Kinder deshalb zum Anlass, vermehrt zu Fuss oder wenigstens mit dem Fahrrad zu gehen (selbst der öffentliche Verkehr ist für Kinder noch besser als das Auto, da dann wenigstens die Strecke bis zur Haltestelle zu Fuss unternommen werden muss und immerhin eine minimale die Bewegungsfreiheit während der Fahrt möglich ist). Die Verkehrssituation sollten Sie schon bei der Wohnungswahl berücksichtigen, ansonsten Sie sich plötzlich vor sehr vielen Sachzwängen wie dem "Elterntaxi" sehen. Eine in Gehdistanz gelegene KITA zum Beispiel kommt nicht nur dem gemeinsamen Erleben zu Gute, sondern auch der Umwelt. Und zumindest bis zur Grundschule sollten Kinder unbedingt zu Fuss oder allenfalls mit dem Fahrrad gehen können.

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Allgemeiner Überfluss

Überhaupt ist die Kehrseite des materiellen Überflusses ein allgemeiner Hang der Menschen zur Bequemlichkeit. Denn die technische Entwicklung bringt immer mehr Annehmlichkeiten hervor, die uns Arbeiten abnehmen sollen. Die Herausforderung der Essenbeschaffung zum Beispiel besteht häufig lediglich noch darin, die Öffnungszeiten des Einkaufszentrums zu kennen. Das mag für Erwachsene angenehm sein, auch wenn die Bewegungsarmut zu überschüssiger Energie führt, die dann wiederum in Form von diversen sportlichen Aktivitäten oder Diäten kompensiert werden muss. Für Kinder ist Überfluss aber geradezu verheerend, da sie noch kein Bewusstsein dafür haben und den Folgen ziemlich schutzlos ausgeliefert sind. Helfen kann da leider nur das Mittel der künstlichen Verknappung.

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Bequemlichkeit der Eltern

Eltern von bequemen Kindern müssen sich auch die Frage stellen, inwiefern sie nicht selbst bequem sind, und zwar speziell in der Erziehung. Die Erziehung von Kindern kann vor allem in den beiden ersten, aber entscheidenden Phasen der Erziehung sehr anstrengend sein und die Versuchung ist gross, sich das Leben etwas einfacher zu machen. Statt wirklichen Trost gibt es dann bloss Vertröstung in Form von zum Beispiel Süssigkeiten oder statt Grenzen zu setzen, werden die Kinder einfach fortgeschickt, um der Konfrontation aus dem Wege gehen zu können.

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Unterhaltungselektronik

Es ist wohl eine der gefährlichsten Versuchungen in den ersten Jahren überhaupt, Kinder mit Unterhaltungselektronik zu beruhigen oder abzulenken. Das funktioniert zwar kurzfristig, doch ist die Wirkung durchaus vergleichbar mit derer von Drogen: es braucht immer mehr davon und schnell wird der Konsum kontraproduktiv, da Sie mit den Nebenwirkungen oder gar der Abhängigkeit der Kinder zu kämpfen haben. Kinder nehmen ihre Eltern zudem zum Vorbild, suchen also irgendwann von sich aus nach Ablenkung und Zerstreuung, sodass der Teufelskreis perfekt wird.

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Bequemlichkeit und Langeweile

Bequemlichkeit ist schliesslich von Langeweile zu unterscheiden. So brauchen Kinder, die lernen, auch Erholung. Und da Kinder enorm viel lernen, brauchen sie auch entsprechend viel Zeit der Erholung, sei es in Form von Freizeit oder Schulferien, sei es beim Schlafen oder eben als Langeweile, während der sie sich einfach dem Müssiggang hingeben. Das gilt für Kleinkinder ebenso wie später für pubertierende Jugendliche, da dieser Prozess äusserst viel Energie braucht.


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