Beruhigen

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Kinder können vor allem in den ersten Jahren sehr schnell in grosse Aufregung kommen, wenn Ihnen etwas Unpassendes widerfährt. Da sie noch voll im Hier und Jetzt leben, kann schon vermeintlich Nichtiges gleich existenziellen Charakter annehmen. In der Regel lassen sie sich aber ebenso schnell und einfach wieder beruhigen. Beruhigen heisst für ein Kind in erster Linie gehalten werden und allenfalls ausweinen dürfen. Dazu verfügen Sie idealerweise schon über eine gewisse Gelassenheit, wobei Ihre eigene Ruhe durchaus genügt.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Wenn ein Kleinkind in Aufregung ist oder gar schreit, fehlt ihm etwas. Und zwar immer und ausnahmslos etwas Grundlegendes. Denn in der Phase der Vertrauensbildung hat das Kind ausschliesslich Grundbedürfnisse, die möglichst immer und sofort befriedigt werden sollten. Das bestätigt sein Vertrauen in seine Eltern und überhaupt in das Leben. So kann es im gleichen Masse Selbstvertrauen bilden. Es wäre deshalb höchst kontraproduktiv, das Kind einfach schreien zu lassen, etwa in der Annahme es würde seine "Flausen" irgendwann schon vergessen oder es würde dadurch gar abgehärtet. In dieser Zeit dürfen und sollen Sie Ihr Kind vielmehr noch richtig verwöhnen, jedenfalls solange es eben um seine Grundbedürfnisse geht, wozu insbesondere wirklicher und bedingungsloser Trost gehört.

Beruhigende Reaktionen

Um ein Kind zu beruhigen, benötigen Sie in erster Linie selbst Ruhe, oder noch besser eine gewisse Gelassenheit. Drängen Sie also das Kind nicht, möglichst schnell wieder loszurennen oder mit Weinen aufzuhören:

  • Halten: Ihre erste und selbstverständlichste Reaktion auf ein unruhiges Kind ist natürlich, das Kind in die Arme zu nehmen. Die körperliche Nähe hilft dem Kind eigentlich immer. Wichtig ist bloss, dass Sie das Kind auch sofort wieder loslassen, wenn es genug hat. Einige Kinder brauchen gerade in den ersten Monaten ausgesprochen kräftig gehalten zu werden, da sie das vermutlich an ihre Zeit im Mutterleib erinnert.
  • Streicheln: Die meisten Kinder mögen es auch, gestreichelt zu werden. Sie müssen einfach spüren lernen, wo und wie es am besten wirkt. Probieren Sie es einfach aus, in der Regel wirkt das feine Streicheln des Kopfes, aber auch die Hände und Füsse können sehr empfänglich sein.
  • Stillen: Säuglinge lassen sich natürlich am einfachsten durch Stillen beruhigen. Die deutsche Bezeichnung ist ja selbstredend. Wie schnell Sie bereit sind, dem Kind die Brust zu geben, liegt in Ihrem Ermessen als Mutter: Es ist nicht zuletzt eine Frage Ihrer eigenen Grenzen, ob Sie auch sogenanntes "Troststillen" zulassen wollen oder nicht. Wirkungsvoll ist es auf jeden Fall, ebenso klar ist aber auch, dass damit das Abstillen eher verzögert denn beschleunigt wird.
  • Schweigen: Um ein Kind zu beruhigen, brauchen Sie keine Worte, ganz im Gegenteil. Vertrauen Sie Ihrer eigenen Wirkung, die einzig darin beruht, dass Sie die Eltern des Kindes sind. Irgendwelche Erklärungen oder gar Zurechtweisungen wären völlig kontraproduktiv. Allenfalls kann ein leichtes Summen helfen, oder je nach Persönlichkeit des Kindes sogar Singen.
  • Wiegen: Das langsame und rhythmische Wiegen dürfte das Kind auch an die Zeit im Mutterleib erinnern und hat schon deshalb eine beruhigende Wirkung. Achten Sie auf die Reaktion des Kindes und versuchen Sie dabei herauszufinden, welche Art von Wiegen ihm am besten tut (meistens je langsamer desto besser).
  • Tragen: Gerade Kleinkinder brauchen noch sehr viel Körperkontakt, den sie im Kinderwagen oder Kinderbett häufig vermissen. Bevorzugen Sie deshalb Kindertragen, sofern es für Sie möglich und angenehm ist. Diese Art von Körperkontakt beruhigt Kinder gewissermassen schon zum voraus und stärkt erst noch die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind.
  • Ausweinen lassen: Falls das Kind schreit, ist Ihre Geduld besonders gefragt, denn Sie müssen solange warten können, bis sich das Kind vollständig ausgeweint hat. Suchen Sie nicht nach "Abkürzungen", schenken Sie Ihrem Kind die Zeit, die es braucht.

Es ist also in erster Linie Ihre eigene Ruhe, die dem Kind das Vertrauen gibt, dass für es gesorgt ist und dass alles wieder gut kommt, ganz gleich, ob es Hunger hat, sich ängstigt, ein Zahn schmerzt oder sonst irgendeine Unbill des Lebens sein Befinden stört. Und sobald es dieses Vertrauen wieder gefunden hat, ist es auch schon wieder ruhig. Wenn Sie diese Ruhe und Zeit aufbringen können, werden Sie um ein Vielfaches dafür belohnt werden!

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Kontraproduktive Reaktionen

Ein unruhiges oder gar schreiendes Kind versetzt manche Eltern ziemlich schnell in helle Aufregung, sei es, weil sie gleich das Schlimmste befürchten, sei es, weil sie nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Sie kommen dann in Versuchung, eine Art Vermeidungsstrategie zu suchen, statt die Sorgen des Kindes ernst zu nehmen:

  • Ignorieren: Wenn einem Kind wirklich etwas fehlt, wird das nicht einfach verschwinden, bloss weil Sie es nicht beachten. Wohl müssen und sollen Sie nicht gleich wegen jedem Mucks reagieren. Doch sollten Sie sich bewusst sein, dass je zuverlässiger die Grundbedürfnisse des Kindes des Kindes in den ersten Jahren befriediget werden, desto toleranter und kooperativer das Kind wird. Hingegen wäre "Abhärten" völlig kontraproduktiv.
  • Ablenkung: Gleiches gilt für Ablenkungen ("Schau mal das tolle Karussell dort!"). Selbstverständlich können Sie zunächst versuchen, das Kind zum Beispiel durch Spässe zu erheitern, doch wenn ihm wirklich etwas fehlt, wird es sich je länger desto mehr dafür einsetzen, dass ihm richtig geholfen wird, sodass leicht ein Teufelskreis entstehen kann. Wo die Grenze liegt, müssen Sie ausprobieren, um mit der Zeit ein Gespür dafür entwickeln. Dieser Lernprozess ist vergleichbar mit dem Radfahren auf unebenem Weg: Mit etwas Übung können Sie Bodenwellen elegant überfahren, anfangs empfiehlt es sich hingegen vielleicht, Hindernisse vorsichtig zu umschiffen oder sich gar Zeit zum absteigen zu nehmen.
  • Essen und Trinken: Besonders heikel ist es, wenn Sie dem Kind zur Beruhigung einfach etwas zu Essen, womöglich noch Süssigkeiten, geben. Damit würden Sie geradezu die Grundlage für süchtiges Verhalten schaffen, geht es doch nicht darum, dass das Kind Hunger oder Durst hätte, sondern dass seine Sorgen ernst genommen werden.
  • Beschwichtigen: Sorgen von Kleinkindern sind regelmässig existenzieller Natur, geht es doch immer um Grundbedürfnisse, also schlicht um das Überleben. Beschwichtigen Sie also nichts ("Das ist doch nicht so schlimm!"), sondern nehmen Sie die Sorgen des Kindes immer ernst ("Hast Du Dir weh getan?") und zeigen Sie ihm, was Sie alles unternehmen könnten ("Soll ich dort ein wenig blasen, wo es weh tut?"). Das bestätigt das Vertrauen, dass ihm immer geholfen wird, sodass es nach und nach mit mehr Unbill umgehen kann.
  • Tadeln: Höchst kontraproduktiv wäre es, das Kind für seine Sorgen auch noch zu tadeln ("Mach doch nicht immer gleich so ein Theater!"). Bedenken Sie, dass Kinder niemals von sich aus auf die Idee kämen, die Eltern zu belästigen, es ist ihnen vielmehr schon von Natur aus daran gelegen, dass es diesen auch gut geht, schon bloss aus dem einen Grund, dass sie auf Gedeih und Verderb von ihnen abhängig sind! Und es ist ja auch nicht so, dass das Kind einfach beschliessen könnte, dass ihm gar nichts fehlen würde. Erst wenn das Kind von Ihnen zuverlässig erfährt, dass Sie sich um es kümmern, kann es die Zuversicht entwickeln,
  • Erklärungen: Wenn Kindern etwas fehlt, brauchen sie dafür keine Erklärungen ("Das kommt davon, wenn Du so schnell rennst!"), sondern ausschliesslich Trost. Den Zusammenhang zwischen ihrem Tun und den Folgen haben sie ja gerade selbst erfahren! Allenfalls können Sie das Kind zum Beispiel noch fragen, ob es gestolpert sei.
  • Vorwürfe: Noch weniger angebracht sind Vorwürfe irgendwelcher Art ("Du störst den ganzen Zug mit Deinem Geschrei!"). Weder kann das Kind solche Vorwürfe verstehen, noch wird damit sein Kummer besänftigt, ganz im Gegenteil: es wird sich nicht angenommen fühlen und gerade deshalb noch mehr auf seine Not aufmerksam machen wollen.

Derartige Reaktionen können also einen eigentlichen Teufelskreis begründen, da dem Kind damit nicht geholfen wird, sodass es erst recht versucht, sich bemerkbar zu machen.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, wird es bei Widerstand oder Konfrontationen gelegentlich auch derart zu toben beginnen, dass Sie es mit keinem Mittel mehr beruhigen können - und Sie sollen es auch gar nicht versuchen! Denn das ist der Moment, wo Sie sich zurücknehmen und warten müssen, bis sich das Kind von alleine ausgetobt hat. Bleiben Sie aber in seiner Nähe, verlassen Sie es also nicht ausgerechnet in diesem schwierigen, aber äusserst wertvollen Moment seiner Entwicklung. Denn das Kind muss erfahren können, dass es zwar einen Willen haben darf, dieser aber an Grenzen stossen kann, sodass ein unter Umständen schmerzvoller Zusammenstoss entsteht, es aber “trotzdem" von seinen Eltern immer noch geliebt wird. Haben Sie es in der Phase zuvor geschafft, genügend Vertrauen aufzubauen, werden Sie ihm auch diesen Prozess zumuten können, sodass es sich ganz von alleine beruhigen wird und danach bereit sein wird, sich mit Ihnen wieder zu versöhnen.

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Ruhe und Gelassenheit

Die Sorge der Eltern um ihre Kinder ist verständlicherweise sehr gross. Trotzdem sollten Sie sich im Klaren darüber sein, dass Sie Ihrem Kind nur dann wirklich helfen können, wenn Sie selbst stark sind. Zu dieser Stärke gehört insbesondre eine gewisse Gelassenheit. Gelassenheit ist die Fähigkeit, das Leben so anzunehmen, wie es ist, begründet also auf einer inneren Ruhe und einem Grundvertrauen in das Leben. Sie sollten also lernen, das unruhige oder gar schreiende Kind im Vertrauen an sich zu nehmen, dass alles wieder gut kommt. Gelassenheit ist eine der wichtigsten Erziehungskompetenzen, auch wenn die wenigsten Eltern diese Tugend von Haus aus mitbringen. Das ist allerdings halb so schlimm, wie es aussehen mag, da gerade Kinder wunderbare Lehrmeister sind und Ihnen immer wieder Gelegenheit zum üben geben!

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

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