Essstörungen

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Auch wenn Essstörungen in der Regel erst ab der Pubertät auftauchen, liegen die Ursachen doch häufig schon in der frühesten Kindheit. Denn meistens geht es entweder um süchtiges Verhalten oder um einen Machtkampf (oder beides). Aufgrund dieser Diskrepanz sind Eltern von Kindern mit Essstörungen meistens ziemlich hilflos, standen sie doch nicht nur am Anfang des Problems, sondern zeigt sich das Problem gerade dann, wenn sich der Jugendliche eigentlich von ebendiesen Eltern ablösen sollte. So bleibt dann bloss noch professionelle Hilfe in Form einer Therapie.

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Mögliche Ursachen

Süchtiges Verhalten

Süchtiges Verhalten liegt regelmässig in frühester Kindheit begründet, wenn ein Kind entweder zu wenig Vertrauen erhält (insbesondere weil seine Grundbedürfnisse nicht gestillt wurden), oder es zu wenig Widerstand erhält (insbesondere ihm zu wenig Grenzen gesetzt wurden). Sucht kann ganz verschiedene Formen haben, Essstörungen können nur eine davon sein.

  • Sucht: Werden die Grundbedürfnisse des Kindes zu wenig befriedigt, wird es folgerichtig nach Ersatz suchen und dabei nur allzu leicht süchtig, weil es nie mehr das finden wird, was ihm einst gefehlt hat. Dabei geht es nicht bloss um Elementares wie Essen, sondern ganz besonders um Trost.
  • Schönheitsideale: Die Schönheitsideale, die vor allem durch die Medien und Werbung vermittelt werden, sind häufig unerreichbar, können aber grosse Sehnsüchte wecken. Entscheidend ist deshalb, dass Sie Ihr Kind mit all seinen Fähigkeiten und Eigenschaften so annehmen können, wie es ist und sich nicht dauernd fragen, wie es nach irgendeiner Norm oder im Vergleich zu Nachbarskindern sein sollte. Es genügt vollkommen, dass Sie Ihre Kinder gesund und lustvoll ernähren und ihnen viel Bewegung lassen, dann ist zum Beispiel Übergewicht kaum ein Thema.
  • Perfektionismus: Als Eltern brauchen Sie nicht perfekt zu sein, Sie sollten ganz im Gegenteil auch Ihre Unvollkommenheit akzeptieren können, um gerade dadurch vollkommen zu sein. Denn Fehler und Misserfolge gehören zum Leben, sie sind ein hervorragendes Mittel um lernen zu können. Wenn Sie selbst perfektionistisch veranlagt sind, ist die Gefahr gross, dass Sie dies auch von Ihren Kindern erwarten und diese die Erwartung von Ihnen übernehmen, da Kinder ja von Natur aus ihren Eltern vertrauen. Und da die Perfektion sowieso niemals erreicht werden kann, schon gar nicht von einem Kind, kann aus dem Streben danach sehr einfach eine Sucht werden. Das gilt es vor allem bei Freizeitaktivitäten zu beachten, insbesondere beim Sport und in der Musik. Im Vordergrund sollte immer die Lust stehen. Loben Sie Ihr Kind für seine Anstrengungen, nicht aber für die Leistungen.

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"Religionsersatz"

Gesundheit und Ernährung sind heutzutage Dauerthemen in den Medien, aber auch im privaten Kreis. Ständig werden neue Diäten entwickelt und Untersuchungen zum Thema "gesundes Essen" veröffentlicht. Gekoppelt ist das Thema gerne mit Fitness und gutem Aussehen. Häufig ist das eindeutig "des Guten zu viel". Gerade während der Pubertät beschäftigen sich Jugendliche sowieso schon stark mit ihrem Körper und fürchten irgendwelche Unstimmigkeiten. Als Eltern sollten Sie dann auf solche Einflüsse der Medien mässigend einwirken, indem Sie zum Beispiel diskutieren, was alles noch als "normal" gilt und wo die Ambitionen nach einem schönen und trainierten Körper sich ins Extreme entwickeln. Dabei sind Sie natürlich selbst das beste Vorbild, indem Sie gesunde Ernärhung als Selbstverstädnlichkeit

Machtkampf

Kinder können zu vielem gezwungen werden, nicht aber zum Essen. Das gibt ihnen eine der seltenen Möglichkeiten, der elterlichen Übermacht etwas entgegenzustellen, was ihnen aufgrund der körperlichen und kognitiven Entwicklung ansonsten noch nicht möglich wäre:

  • Machtkampf beim Essen: Da mittlerweile zumindest in der westlichen Zivilisation die meisten Familien in einem Überfluss an Lebensmitteln leben, kommen Eltern gerne in Versuchung, wählerisches Verhalten geradezu zu provozieren, indem sie dem Kind immer wieder neue Alternativen anbieten, bis es endlich zufrieden ist. Das kann sehr schnell zu einem eigentlichen Machtkampf vor dem Kühlschrank führen. Und Kinder "lernen" daraus ebenso schnell, dass sie zum Beispiel bloss das Essen verweigern müssen, um ihren Willen auch in anderen Situationen durchsetzen zu können.
  • Elterliche Gewalt: Wird dem kindlichen Willen immer wieder mit Gewalt entgegnet, kann dadurch sogar der Lebenswille beeinträchtigt werden, sodass das Kind zum Beispiel beschliesst, lieber gar nicht mehr leben zu wollen und in der Folge aufhört zu essen.
  • Überforderung: Kinder können schon sehr früh zu hoher Leistung zum Beispiel im Sport oder in der Musik angespornt werden. Meistens wenden Eltern dabei die ziemlich verheerende "Methode" Zuckerbrot und Peitsche an. Dabei können Kinder durch den andauernden Leistungsdruck nur allzu schnell überfordert werden, sodass sie sich irgendwann total verweigern. Ein Ausdruck dieser Totalverweigerung kann dann eben die Essensverweigerung sein.
  • (Sexueller) Missbrauch: Die verheerendste Ursache ist selbstredend sexueller Missbrauch. Wenn einem Kind das vielleicht Intimste und Wertvollste zerstört wird, werden unweigerlich sein Lebenswille und seine Lebenslust bedroht, was eben auch die Lust am Essen beeinträchtigen kann.

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Faktoren für gesundes Essverhalten

Essstörungen können in einer Zeit, in der Essen häufig schon fast zur Religion erklärt wird oder sich doch zum Religionsersatz entwickelt, nicht gänzlich verhindert werden. Doch können Sie als Eltern sehr viel zur Prävention beitragen, indem Sie Essen als ein natürliches und lustvolles Bedürfnis vorleben:

Stillen

Als Mutter dürfen, ja sollen Sie davon ausgehen, dass jedes Kind gestillt werden kann! Denn dafür sorgt schon allein der Lebenswille des Kindes. Allerdings ist es leider so, dass nicht alle medizinischen Einrichtungen gleich viel Wert darauf legen. Wenn Ihnen aber diese (eigentlich existenzielle) Beziehung zu Ihrem Kind wichtig ist, sollten Sie schon vor der Geburt abklären, ob Sie dann auch wirklich in Ihrem Wunsch unterstützt werden. Denn ob Sie stillen können oder nicht, ist meistens weniger eine medizinische Frage denn eine Frage der Einstellung! Umgekehrt, das heisst wenn ein Stillen aus irgendwelchen Gründen unmöglich ist, sollten Sie sich deswegen aber auch keine Sorgen machen, sondern dem Kind vertrauen, dass es auch mit der Flasche leben kann. Kinder können sich nämlich sehr gut mit dem arrangieren, was ist, wenn sie nur spüren, dass es die Eltern gut mit ihnen meinen. Nicht stillen können ist also weder eine Essstörung noch Ursache für spätere Essstörungen!

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Lustprinzip

Der wohl wichtigste Faktor für ein natürliches Essverhalten ist die Wahrung des Lustprinzips. Essen sollte immer mit Lust verbunden sein, das beginnt schon beim Stillen. Es gibt überhaupt keinen Grund, Kinder zum Essen zu zwingen. Lassen Sie Kinder so viel oder so wenig essen, wie sie mögen. Es gibt keine "schlechten" oder "guten Esser", es sollte nur Kinder geben, die so viel essen dürfen, wie sie Lust dazu haben, die Menge ist völlig irrelevant. Selbstverständlich achten Sie auf gesundes Essen, doch braucht das deswegen nicht ein ständiges Thema zu sein, es sollte vielmehr einfach selbstverständlich sein. Bleiben Sie tolerant, wenn es um die Sauberkeit am Tisch geht, es spricht nichts dagegen, wenn Kinder mit dem Essen im Teller gelegentlich spielen, hingegen dürfen Sie zum Beispiel verlangen, dass das Kind dafür die Verantwortung übernimmt und zum Beispiel die auf den Boden gefallenen Beeren selbst aufhebt.

Lassen Sie Kinder nur das essen, was sie mögen. Gerade bei der Umstellung vom Stillen zu fester Nahrung sind dem Kind noch viel Gerüche fremd und Sie müssen Ihre Kochgewohnheiten vielleicht etwas anpassen, indem Sie zum Beispiel vorzugsweise milde Speisen kochen. Ermuntern Sie es, Neues auszuprobieren, Kinder sind ja von Natur aus neugierig. Verzichten Sie aber darauf, dem Kind zu schnell und zu oft Alternativen anzubieten, Sie würden damit bloss wählerisches Verhalten provozieren, woraus sehr schnell ein Machtkampf entstehen kann. Kinder können durchasu auch einmal eine Mahlzeit auslassen, ohne dass sie deswegen gleich Schaden nehmen würden.

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Essrhythmus

Wenn das Kind zur Welt kommt, ist es sich aus der Zeit der Schwangerschaft noch gewohnt, dass es kontinuierlich, also andauernd und ohne Unterbruch, mit Nahrung versorgt wird. Der Übergang zu mehr oder weniger regelmässigen Stillzeiten muss es deshalb zuerst lernen, beziehungsweise Sie müssen es langsam aber sicher daran gewöhnen. Wenn dann das Kind abgestillt ist, sollten Sie grundsätzliche Essenszeiten einführen, das heisst im Allgemeinen drei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten. Davor und danach braucht das Kind grundsätzlich nichts zu essen (trinken sollte es hingegen immer dürfen). An diesen Rhythmus sollten Sie Ihr Kind in den beiden ersten Lebensjahren gewöhnt haben. Denn ein klarer Rhythmus schafft Sicherheit und damit Vertrauen. Und ganz nebenbei können Sie mit einem klaren "Nein" zum Naschen auch schon ein wenig üben, dem Kind Grenzen zu setzen.

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Eigenes Essverhalten

Kinder nehmen ihre Eltern nicht bloss beim "Was" zum Vorbild, sondern selbstverständlich auch beim "Wie". Sie sollten deshalb darauf achten, sich möglichst natürlich zu ernähren, das heisst, nicht bloss gesund, sondern zum Beispiel ohne ständige Diskussionen darüber, was wie viele Kalorien hat oder wer welchen Bauchumfang hat.

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Essen als Grundbedürfnis

Essen ist ein Grundbedürfnis und sollte nicht an besondere Leistungen geknüpft werden. Das gilt gerade auch für Belohnungen mit Süssigkeiten. Noch heikler ist es, Kinder mit Süssigkeiten trösten zu wollen. Wenn dem Kind etwas fehlt oder ihm etwas weh tut, braucht es wirklichen Trost. Denn das Kind "lernt" gerade in den ersten Jahren solche Verknüpfungen sehr schnell, sodass es kaum verwundert, dass es später zum Beispiel übermässig isst (oder gar Drogen nimmt), bloss weil es traurig ist oder sich minderwertig fühlt.

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