Entwicklungsschritte: Unterschied zwischen den Versionen

Aus 2 x 2 der Erziehung
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<metadesc>Für die Erziehung sind weniger die körperlichen Entwicklungsschritte des Kindes als viel mehr die beiden Phasen der Vertrauensbildung und der Willensbildung entscheidend.</metadesc>
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Das {{22}} richtet sich weniger nach den körperlichen Entwicklungsschritten des Kindes als nach den beiden alles entscheidenden Phasen der [[Vertrauensbildung]] und der [[Willensbildung]].  
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==Entwicklungsschritte und entscheidende Phasen der Erziehung==
==Entwicklungsschritte und entscheidende Phasen der Erziehung==
Für die Erziehung stehen vor allem die Übergänge zwischen den entscheidenden [[Lebensphasen]] im Vordergrund.  
Für die Erziehung stehen vor allem die Übergänge zwischen den entscheidenden Lebensphasen im Vordergrund.  
* '''Geburt''': Gleich mit der Geburt beginnt die wichtigste Phase im Leben eines Kindes, nämlich die der Vertrauensbildung: Die Eltern müssen zunächst lernen, dem Kind mit all seinen [[Grundbedürfnisse des Kindes|Grundbedürfnissen]] und [[Fähigkeiten]] zu [[Vertrauen der Eltern|vertrauen]]. Diese Phase ist das Fundament für alles, was danach folgt. Je mehr die Eltern dem Kind vertrauen, desto grösser sein [[Selbstvertrauen]]. In dieser Phase geht es um das [[Ja der Eltern|"Ja" der Eltern]] zum Kind. Die Geburt ist für das Kind aber auch die absolute [[Grenzerfahrung]]: Es wird vom Universum des Mutterleibs getrennt und in eine völlig andere Welt gebracht. Diese Grenzerfahrung ist nur noch mit dem [[Tod]] vergleichbar, der gewissermassen das Gegenstück bildet. Die Geburt beinhaltet somit die beiden wichtigsten Prinzipien der Erziehung in einem einzigen Moment: Vertrauen und Grenzen.  
* '''Geburt und Vertrauensbildung''': Gleich mit der Geburt beginnt die wichtigste Phase im Leben eines Kindes, nämlich die der Vertrauensbildung: Die Eltern müssen zunächst lernen, dem Kind mit all seinen [[Grundbedürfnisse des Kindes|Grundbedürfnissen]] und [[Fähigkeiten]] zu [[Vertrauen der Eltern|vertrauen]]. Diese Phase ist das Fundament für alles, was danach folgt. Je stärker die Eltern dem Kind vertrauen, desto gesünder wird sein [[Selbstvertrauen]]. In dieser Phase geht es um das [[Ja der Eltern|"Ja" der Eltern]] zum Kind. Die Geburt ist für das Kind aber auch die absolute [[Grenzerfahrung]]: Es wird vom Universum des Mutterleibs getrennt und in eine völlig andere Welt gebracht. Diese Grenzerfahrung ist nur noch mit dem [[Sterben und Tod|Tod]] vergleichbar, der gewissermassen das Gegenstück bildet. Die Geburt beinhaltet somit die beiden wichtigsten Prinzipien der Erziehung in einem einzigen Moment: Vertrauen und Grenzen.  
* '''Willensbildung''': Während die beiden ersten Jahre des Kindes, also die Zeit der Vertrauensbildung in der Regel ruhig verlaufen (abgesehen von der intensiven Obhut), tritt das Kind mit der [[Willensbildung|Bildung des eigenen Willens]] ebenso regelmässig plötzlich und unmittelbar in eine ganz andre Phase: Von einem Moment zum anderen kann es [[Nein des Kindes|"Nein"]] sagen oder sich gegen etwas sträuben, ohne dass Sie wissen, weshalb und schon gar nicht, weshalb mit dieser Heftigkeit. Dieser Schritt ist nach der Geburt der zweitwichtigste im Leben eines Kindes. Und es ist der Schritt, der von vielen Eltern nur schwer eingeordnet werden kann. Denn was als [[Trotz]] empfunden wird, ist nichts anderes als das Verlangen des Kindes nach [[Grenzen]]. Und diese müssen von den Eltern gesetzt werden: das Kind kennt sie - ganz im Gegensatz zum Vertrauen, das es von Natur aus  mitbringt - noch nicht. Es ist deshalb an den Eltern zu lernen, dem Kind [[konsequent]] Grenzen zu setzen und diese auch einzuhalten.  
* '''Willensbildung''': Während die beiden ersten Jahre des Kindes, also die Zeit der Vertrauensbildung in der Regel ruhig verlaufen (abgesehen von der intensiven Obhut), tritt das Kind mit der [[Willensbildung|Bildung des eigenen Willens]] ebenso regelmässig plötzlich und unmittelbar in eine ganz andere Phase: Von einem Moment zum anderen kann es [[Nein des Kindes|"Nein"]] sagen oder sich gegen etwas sträuben, ohne dass Sie wissen, weshalb und schon gar nicht, weshalb mit dieser Heftigkeit. Dieser Schritt ist nach der Geburt der zweitwichtigste im Leben eines Kindes. Und es ist der Schritt, der von vielen Eltern nur schwer eingeordnet werden kann. Denn was von Ihnen möglicherweise als [[Übermut]] oder gar [[Trotz]] empfunden wird, ist nichts anderes als das Verlangen des Kindes nach [[Herausforderungen]] und [[Grenzen]]. Sie müssen in dieser Phase deshalb [[Lernen der Eltern|lernen]], dem Kind auch [[Grenzen]] zu setzen.
* '''Sozialisation''': Die beiden ersten, alles entscheidenden Phasen, dauern je etwa zwei Jahre. Danach sollte das Kind genügend [[reif]] sein, um sich zu [[sozialisieren]], das heisst dass es sich auch in einer Gruppe frei [[entfalten]] kann und gleichzeitig die [[Spielregeln]] dieser Gruppe einhalten kann. Dieser Schritt erfolgt in der Regel mit dem Eintritt in die (Vor)[[Schule]]. Es ist auch der Schritt von der elterlichen Obhut in eine mehr oder weniger fremde Obhut. Wichtig ist für die Eltern, dass sie sich bewusst sind, dass ihre Erziehungsaufgabe in diesem Moment bereits weitestgehend erfüllt sein sollte. Denn erstens schwindet ihr Einfluss auf das Kind mit diesem Schritt ganz entscheidend und zweitens ist es nicht Aufgabe der Schule, Kinder zu erziehen!
Die beiden ersten, alles entscheidenden Phasen, dauern je etwa zwei Jahre. Danach sollte das Kind genügend [[reif]] sein, um sich zu [[Sozialisation|sozialisieren]], das heisst dass es sich auch in einer Gruppe mit seiner [[Persönlichkeit]]  frei [[entfalten]] kann und gleichzeitig seine Umgebung [[Respekt des Kindes|respektieren]] kann. Dieser Schritt erfolgt in der Regel mit dem Eintritt in die (Vor)[[Schule]]. Es ist auch der Schritt von der elterlichen Obhut in eine mehr oder weniger fremde Obhut. Wichtig ist für die Eltern, dass sie sich bewusst sind, dass ihre Erziehungsaufgabe in diesem Moment bereits weitestgehend erfüllt sein sollte. Denn erstens schwindet ihr Einfluss auf das Kind mit diesem Schritt ganz entscheidend und zweitens ist es nicht Aufgabe der Schule, Kinder zu erziehen!


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==Entwicklungsschritte und Begleitung==
==Entwicklungsschritte und Begleitung==
Die beiden nächsten Entwicklungsschritte des Kindes, beziehungsweise nun des Jugendliche oder gar jungen Erwachsenen, sollten im Idealfall mit der Erziehung nicht mehr viel zu tun haben. Denn der weitaus wichtigste Teil der Erziehung findet eben in den ersten vier Lebensjahren statt, danach ist die Persönlichkeit des Kindes so weit entwickelt, dass höchstens noch "leichte Korrekturen" möglich und nötig sind:
Die beiden nächsten Entwicklungsschritte des Kindes, beziehungsweise nun des Jugendliche oder gar jungen Erwachsenen, sollten im Idealfall mit der Erziehung nicht mehr viel zu tun haben. Denn der weitaus wichtigste Teil der Erziehung findet eben in den ersten vier Lebensjahren statt, danach ist die Persönlichkeit des Kindes so weit entwickelt, dass höchstens noch "leichte Korrekturen" möglich sind beziehungsweise nötig sein sollten:
* '''Pubertät''': Mit der [[Pubertät]] beginnt, nebst der sexuellen Entwicklung, auch die Zeit der Selbstreflexion. Das heisst, dass Jugendliche sehr stark mit sich selbst beschäftigt sind und sich von den Eltern mehr und mehr [[abgrenzen]]. Das ist auch gut so, denn während der Pubertät sollten die Eltern keine Erziehungsfunktion mehr ausüben müssen, sondern der Jungedliche sollte nun so weit sein, dass er sprichwörtlich zu sich selbst schauen kann! Das gilt gerade auch für Grenzen, die in diesem Alter so gerne überschritten werden: Lassen Sie Ihre Kinder mehr und mehr selbst entscheiden, denn Sie haben Ihnen (hoffentlich) schon in den ersten vier Lebensjahren gelehrt, mit [[Risiken]] umzugehen. Nun ist es an ihnen, [[Verantwortung des Kindes|Verantwortung]] für ihr Leben zu übernehmen!  
* '''Pubertät''': Mit der [[Pubertät]] beginnt, nebst der sexuellen Entwicklung, auch die Zeit der [[Selbstreflexion]]. Das heisst, dass Jugendliche sehr stark mit sich selbst beschäftigt sind und sich von den Eltern mehr und mehr [[abgrenzen]]. Während der Pubertät sollten die Eltern keine Erziehungsfunktion mehr ausüben müssen, sondern der Jugendliche sollte nun so weit sein, dass er tatsächlich zu sich selbst schauen kann! Das gilt gerade auch für Grenzen, die in diesem Alter so gerne überschritten werden: Lassen Sie Ihre Kinder mehr und mehr selbst entscheiden, denn Sie haben ihnen (hoffentlich) schon in den ersten vier Lebensjahren gelehrt, mit [[Risiken]] umzugehen. Nun ist es an ihnen, [[Verantwortung des Kindes|Verantwortung]] für ihr Leben zu übernehmen!  
* '''Auszug''': Höhepunkt dieser Entwicklung ist sodann der [[Auszug]] aus der elterlichen Wohnung beziehungsweise Obhut.  
* '''Auszug''': Höhepunkt dieser Entwicklung ist sodann der [[Auszug]] aus der elterlichen Wohnung beziehungsweise Obhut. Im Idealfall haben Sie schon früh gelernt, Ihre Kinder mehr und mehr [[Loslassen|loszulassen]], sodass die Freude über die [[Selbständigkeit]] den meist unvermeidlichen Trennungsschmerz immerhin überweigen sollte.


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==Weitere Entwicklungsschritte==
==Weitere Entwicklungsschritte==
Natürlich gibt es, gerade in den ersten zwei Jahren, noch einige weitere bedeutende Entwicklungsschritte, über die sich Eltern [[Freude der Eltern|freuen]] dürfen, doch ist keiner davon für die Erziehung so elementar wie die beiden alles entscheidenden zur Phase der Vertrauensbildung beziehungsweise zur Willensbildung:
* '''Abstillen''': Das [[Abstillen#Abstillen|Abstillen]] ist vor allem für die [[Beziehung zwischen der Mutter und dem Kind]] von grosser Bedeutung, ermöglicht es doch zum Beispiel, dass das Kind auch während mehr als bloss ein paar Stunden [[Fremdbetreuung|fremdbetreut]] werden oder gar bei den Grosseltern übernachten kann. Das ist einerseits eine wertvolle Entlastung, andererseits natürlich ein bereits wesentliches Stück [[Ablösen|Ablösung]].
* '''Trocken werden''': Ob das [[Trocken werden]] ein wirklicher Entwicklungsschritt ist oder bloss eine Korrektur einer Fehlentwicklung (Darm und Blase in die Windeln entleeren, statt in die Toilette), ist wohl mehr eine Ansichtssache. So oder so erwirbt sich das Kind damit ein weiteres Stück [[Selbständigkeit]].
* '''Sitzen, Stehen und Laufen''': Die stetige Erweiterung des Aktionsradius des Kindes, wenn es [[Laufen lernen|zu laufen beginnt]] oder [[Radfahren lernen|Fahrradfahren lernt]], ist vor allem eine Herausforderung an das Vertrauen der Eltern. Sie müssen [[Lernen der Eltern|lernen]], die damit verbundenen [[Gefahren]] vernünftig einzuschätzen, also ohne das Kind in seinem [[Bewegen|Bewegungsdrang]] zu sehr [[Behindern|einzuschränken]].
* '''Essen und Trinken''': Die Ernährung ist für die Erziehung eher von indirekter Bedeutung, wenn es zum Beispiel um [[Wählerisch|wählerisches Verhalten]] oder um [[Anstandsregeln|Tischmanieren]] geht. Beim [[Abstillen]] (insbesondere die Entwöhnung von der Mutterbrust) geht es häufig das Abwägen zwischen den [[Bedürfnisse der Eltern|Bedürfnissen der Mutter]] und denen des Kindes.
* '''Sprechen''': Wenn sich das Kind mehr und mehr mit Worten ausdrücken kann, ist das vor allem eine grosse Erleichterung für Eltern, das Kind zu [[verstehen]]. Sie sollten sich aber bewusst sein, dass das Kind vom ersten Tag an mit Ihnen kommuniziert, auch wenn es Ihnen gerade am Anfang noch grosse Mühe bereitet, seine [[Grundbedürfnisse des Kindes|Bedürfnisse]] zu verstehen. Auch sollten Sie unbedingt davon ausgehen, dass Kinder grundsätzlich alles aufnehmen, was Sie sagen, auch wenn ihr Verständnis noch nicht in dem Sinne entwickelt ist, wie wir es unter Erwachsenen gewohnt sind.


Natürlich gibt es, gerade in den ersten zwei Jahren, noch einige weitere bedeutende Entwicklungsschritte, doch ist keiner davon für die Erziehung so elementar wie die beiden alles entscheidenden Phasen der Vertrauensbildung und der Willensbildung:
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* '''Sitzen, Stehen und Laufen''': Die stetige Erweiterung des [[Aktionsradius]]' des Kindes ist vor allem eine Herausforderung an das Vertrauen der Eltern.
 
* '''Essen und Trinken''': Die Ernährung ist für die Erziehung eher von indirekter Bedeutung, insbesondere wenn es um [[Anstandsregeln]] geht. Das [[Abstillen]] (insbesondere die Entwöhnung von der Mutterbrust) kann allenfalls als Zwischenschritt in der Phase der Vertrauensbildung betrachtet werden, geht es doch unter dem Aspekt der Trennung bereits um das Thema Grenzen.
==Entwicklungsschritte und Reifung==
* '''Sprechen''': Wenn sich das Kind mehr und mehr mit Worten ausdrücken kann, ist das vor allem eine grosse Erleichterung für Eltern, das Kind zu [[verstehen]]. Sie sollten sich aber bewusst sein, dass das Kind vom ersten Tag an mit Ihnen kommuniziert, auch wenn es Ihnen gerade am Anfang noch grosse Mühe bereitet, seine Bedürfnisse zu verstehen. Auch sollten Sie unbedingt davon ausgehen, dass Kinder grundsätzlich alles aufnehmen, was Sie sagen, auch wenn ihr Verständnis noch nicht in dem Sinne entwickelt ist, wie wir es unter Erwachsenen gewohnt sind.
Eltern stellen häufig fest, dass ihr Kind nach einem Entwicklungsschritt wieder mehr [[Nähe und Distanz|Nähe]] braucht, obwohl es doch gerade selbständiger wurde. Das ist kein Widerspruch, geht es doch immer auch um Schritte ins Ungewisse. In solchen Momenten braucht das Kind [[Selbstvertrauen]], das es wiederum aus dem [[Vertrauen der Eltern]] in seine Fähigkeiten schöpft. Schliesslich ist häufig zu beobachten, dass Kinder gerade nach einer überstandenen Krankheit den nächsten Schritt machen, ganz so, als ob sie sprichwörtlich erfahren hätten, dass alles, was sie nicht umbringt, stärker macht.


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Aktuelle Version vom 10. April 2022, 11:35 Uhr


Das "Zweimalzwei der Erziehung" richtet sich weniger nach den körperlichen Entwicklungsschritten des Kindes als nach den beiden alles entscheidenden Phasen der Vertrauensbildung und der Willensbildung.

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Entwicklungsschritte und entscheidende Phasen der Erziehung

Für die Erziehung stehen vor allem die Übergänge zwischen den entscheidenden Lebensphasen im Vordergrund.

  • Geburt und Vertrauensbildung: Gleich mit der Geburt beginnt die wichtigste Phase im Leben eines Kindes, nämlich die der Vertrauensbildung: Die Eltern müssen zunächst lernen, dem Kind mit all seinen Grundbedürfnissen und Fähigkeiten zu vertrauen. Diese Phase ist das Fundament für alles, was danach folgt. Je stärker die Eltern dem Kind vertrauen, desto gesünder wird sein Selbstvertrauen. In dieser Phase geht es um das "Ja" der Eltern zum Kind. Die Geburt ist für das Kind aber auch die absolute Grenzerfahrung: Es wird vom Universum des Mutterleibs getrennt und in eine völlig andere Welt gebracht. Diese Grenzerfahrung ist nur noch mit dem Tod vergleichbar, der gewissermassen das Gegenstück bildet. Die Geburt beinhaltet somit die beiden wichtigsten Prinzipien der Erziehung in einem einzigen Moment: Vertrauen und Grenzen.
  • Willensbildung: Während die beiden ersten Jahre des Kindes, also die Zeit der Vertrauensbildung in der Regel ruhig verlaufen (abgesehen von der intensiven Obhut), tritt das Kind mit der Bildung des eigenen Willens ebenso regelmässig plötzlich und unmittelbar in eine ganz andere Phase: Von einem Moment zum anderen kann es "Nein" sagen oder sich gegen etwas sträuben, ohne dass Sie wissen, weshalb und schon gar nicht, weshalb mit dieser Heftigkeit. Dieser Schritt ist nach der Geburt der zweitwichtigste im Leben eines Kindes. Und es ist der Schritt, der von vielen Eltern nur schwer eingeordnet werden kann. Denn was von Ihnen möglicherweise als Übermut oder gar Trotz empfunden wird, ist nichts anderes als das Verlangen des Kindes nach Herausforderungen und Grenzen. Sie müssen in dieser Phase deshalb lernen, dem Kind auch Grenzen zu setzen.

Die beiden ersten, alles entscheidenden Phasen, dauern je etwa zwei Jahre. Danach sollte das Kind genügend reif sein, um sich zu sozialisieren, das heisst dass es sich auch in einer Gruppe mit seiner Persönlichkeit frei entfalten kann und gleichzeitig seine Umgebung respektieren kann. Dieser Schritt erfolgt in der Regel mit dem Eintritt in die (Vor)Schule. Es ist auch der Schritt von der elterlichen Obhut in eine mehr oder weniger fremde Obhut. Wichtig ist für die Eltern, dass sie sich bewusst sind, dass ihre Erziehungsaufgabe in diesem Moment bereits weitestgehend erfüllt sein sollte. Denn erstens schwindet ihr Einfluss auf das Kind mit diesem Schritt ganz entscheidend und zweitens ist es nicht Aufgabe der Schule, Kinder zu erziehen!

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Entwicklungsschritte und Begleitung

Die beiden nächsten Entwicklungsschritte des Kindes, beziehungsweise nun des Jugendliche oder gar jungen Erwachsenen, sollten im Idealfall mit der Erziehung nicht mehr viel zu tun haben. Denn der weitaus wichtigste Teil der Erziehung findet eben in den ersten vier Lebensjahren statt, danach ist die Persönlichkeit des Kindes so weit entwickelt, dass höchstens noch "leichte Korrekturen" möglich sind beziehungsweise nötig sein sollten:

  • Pubertät: Mit der Pubertät beginnt, nebst der sexuellen Entwicklung, auch die Zeit der Selbstreflexion. Das heisst, dass Jugendliche sehr stark mit sich selbst beschäftigt sind und sich von den Eltern mehr und mehr abgrenzen. Während der Pubertät sollten die Eltern keine Erziehungsfunktion mehr ausüben müssen, sondern der Jugendliche sollte nun so weit sein, dass er tatsächlich zu sich selbst schauen kann! Das gilt gerade auch für Grenzen, die in diesem Alter so gerne überschritten werden: Lassen Sie Ihre Kinder mehr und mehr selbst entscheiden, denn Sie haben ihnen (hoffentlich) schon in den ersten vier Lebensjahren gelehrt, mit Risiken umzugehen. Nun ist es an ihnen, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen!
  • Auszug: Höhepunkt dieser Entwicklung ist sodann der Auszug aus der elterlichen Wohnung beziehungsweise Obhut. Im Idealfall haben Sie schon früh gelernt, Ihre Kinder mehr und mehr loszulassen, sodass die Freude über die Selbständigkeit den meist unvermeidlichen Trennungsschmerz immerhin überweigen sollte.

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Weitere Entwicklungsschritte

Natürlich gibt es, gerade in den ersten zwei Jahren, noch einige weitere bedeutende Entwicklungsschritte, über die sich Eltern freuen dürfen, doch ist keiner davon für die Erziehung so elementar wie die beiden alles entscheidenden zur Phase der Vertrauensbildung beziehungsweise zur Willensbildung:

  • Abstillen: Das Abstillen ist vor allem für die Beziehung zwischen der Mutter und dem Kind von grosser Bedeutung, ermöglicht es doch zum Beispiel, dass das Kind auch während mehr als bloss ein paar Stunden fremdbetreut werden oder gar bei den Grosseltern übernachten kann. Das ist einerseits eine wertvolle Entlastung, andererseits natürlich ein bereits wesentliches Stück Ablösung.
  • Trocken werden: Ob das Trocken werden ein wirklicher Entwicklungsschritt ist oder bloss eine Korrektur einer Fehlentwicklung (Darm und Blase in die Windeln entleeren, statt in die Toilette), ist wohl mehr eine Ansichtssache. So oder so erwirbt sich das Kind damit ein weiteres Stück Selbständigkeit.
  • Sitzen, Stehen und Laufen: Die stetige Erweiterung des Aktionsradius des Kindes, wenn es zu laufen beginnt oder Fahrradfahren lernt, ist vor allem eine Herausforderung an das Vertrauen der Eltern. Sie müssen lernen, die damit verbundenen Gefahren vernünftig einzuschätzen, also ohne das Kind in seinem Bewegungsdrang zu sehr einzuschränken.
  • Essen und Trinken: Die Ernährung ist für die Erziehung eher von indirekter Bedeutung, wenn es zum Beispiel um wählerisches Verhalten oder um Tischmanieren geht. Beim Abstillen (insbesondere die Entwöhnung von der Mutterbrust) geht es häufig das Abwägen zwischen den Bedürfnissen der Mutter und denen des Kindes.
  • Sprechen: Wenn sich das Kind mehr und mehr mit Worten ausdrücken kann, ist das vor allem eine grosse Erleichterung für Eltern, das Kind zu verstehen. Sie sollten sich aber bewusst sein, dass das Kind vom ersten Tag an mit Ihnen kommuniziert, auch wenn es Ihnen gerade am Anfang noch grosse Mühe bereitet, seine Bedürfnisse zu verstehen. Auch sollten Sie unbedingt davon ausgehen, dass Kinder grundsätzlich alles aufnehmen, was Sie sagen, auch wenn ihr Verständnis noch nicht in dem Sinne entwickelt ist, wie wir es unter Erwachsenen gewohnt sind.

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Entwicklungsschritte und Reifung

Eltern stellen häufig fest, dass ihr Kind nach einem Entwicklungsschritt wieder mehr Nähe braucht, obwohl es doch gerade selbständiger wurde. Das ist kein Widerspruch, geht es doch immer auch um Schritte ins Ungewisse. In solchen Momenten braucht das Kind Selbstvertrauen, das es wiederum aus dem Vertrauen der Eltern in seine Fähigkeiten schöpft. Schliesslich ist häufig zu beobachten, dass Kinder gerade nach einer überstandenen Krankheit den nächsten Schritt machen, ganz so, als ob sie sprichwörtlich erfahren hätten, dass alles, was sie nicht umbringt, stärker macht.

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Weiterführende Themen

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Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email