Gehalten werden

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Gehalten werden ist ein Grundbedürfnis des Kindes. Wenn Sie Ihr Kind in die Arme nehmen, geben sie ihm Geborgenheit und Trost, wodurch Sie Vertrauen und Beziehung schaffen. Zumindest in den ersten beiden, alles entscheidenden Phasen der Erziehung muss das Kind die Beziehung zu seinen Eltern unbedingt auch körperlich spüren.

Gleichzeitig können Sie als Eltern Ihr Gespür für die Bedürfnisse des Kindes durch die körperliche Nähe sehr viel besser entwickeln. Tragen Sie das Kleinkind deshalb so oft und lange wie möglich. Kindertragen sollten wann immer möglich gegenüber Kinderwagen bevorzugt werden.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Gehalten werden bedeutet zunächst schlicht und einfach Kontakt. Der körperliche Kontakt allein ist für das Kind schon äusserst wertvoll. Es ist die einfachste Form von Beziehung, ähnlich wie sich Erwachsene zu Begrüssung die Hand reichen oder küssen, einfach näher, anhaltender und intensiver.

Vertrauensbildung

Kleinkinder, also Kinder in der Phase der Vertrauensbildung, müssen alles körperlich erfahren können, zumal ihre kognitiven Fähigkeiten noch nicht genügend ausgebildet sind, um die Welt zu erfahren. Die Zuneigung und Fürsorge der Eltern wollen sie förmlich spüren. Wenn Sie das Kind halten, bestätigen Sie sein Vertrauen schon nur dadurch, dass Sie es nicht fallen lassen. Ihre schützenden Hände zeigen ihm, dass Sie sich um alles kümmern, was es braucht. Das ist gerade auch für den Vater eine grosse Chance, um seine Beziehung zum Kind zu entwickeln (während es die Mutter ja schon von der Schwangerschaft her bestens kennt)!

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Trost

Die Widrigkeiten des Lebens ausserhalb des Mutterleibs sind für das Kind mannigfaltig, seien es ungewohnte Temperaturschwankungen oder das Warten auf das Gestillt werden, seien es ältere Geschwister, die ihm zu aufdringlich werden: Immer wieder wird das Wohlbefinden durch irgend etwas gestört. Das Kleinkind braucht deshalb ständig Trost. Fast immer genügt es, wenn Sie es einfach halten und ruhig bleiben: Schon Ihre Nähe, ihr ruhiger Atem oder Ihr vertrauter Körpergeruch beruhigen das Kind. Je mehr Sie dabei Ihren eigenen Fähigkeiten vertrauen, desto mehr wird auch das Vertrauen des Kindes in Sie bestätigt.

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Halten und Loslassen

Beziehung lebt bekanntlich ganz stark vom Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz. Das ist bei Kindern nicht anders, mit einem wesentlichen Unterschied: Das Kind allein sollte bestimmen dürfen, wann es wie viel braucht! Die hierarchische Stellung der Eltern verlangt, dass Sie gewissermassen dem Kind den Vortritt lassen und ihr allfälliges eigenes Bedürfnis nach Nähe zurücknehmen können. "Zwangsbeglücken" ist als völlig fehl am Platz und streng genommen eine Grenzüberschreitung. Natürlich kann es zum Beispiel im Rahmen eines Spiels lustig sein, das Kind zu fangen und in die Arme zu nehmen. Aber achten Sie genau darauf, ob das Kind das gerne mitmacht und wann es wieder losgelassen werden will. Ansonsten wird das Vertrauen des Kindes in Sie ziemlich schnell beeinträchtigt. Für Sie als Eltern ist das Wechselspiel zwischen Halten und Loslassen zudem ein hervorragendes Übungsfeld zum Wahrnehmen von Grenzen. Beginnen Sie frühzeitig damit, so sind Sie vorbereitet, wenn das Kind später beginnt seinen Willen zu entwickeln.

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Halten und Kräfte der Eltern

Irgendwann mögen das Kind Sie vermutlich nicht mehr dauernd hochnehmen und Sie werden sich vielleicht erschöpft fühlen. Zunächst sollten Sie sich bewusst sein, dass das eine logische Folge der heutzutage üblichen Lebensform der Kleinfamilie ist (denn in einer Grossfamilie oder gar in einer Sippe findet sich immer jemand, der die Aufgabe übernehmen könnte!). Es ist also völlig normal, dass Sie sich mit der Kinderbetreuung immer wieder überfordert fühlen. Organisieren Sie deshalb Ihren Alltag möglichst so, dass sich immer wieder jemand zum Beispiel aus der Nachbarschaft oder beim Einkauf findet, der Freude an Ihrem Kind hat und es Ihnen, wenn auch nur für ein paar Minuten, gerne abnimmt. Eine grosse Hilfe ist schliesslich auch die Fremdbetreuung, die viele Nachteile der Kleinfamilie kompensieren kann.

Selbstverständlich dürfen Sie dem Kind aber auch sagen, dass Sie gerade nicht mehr die Kraft haben, es zu halten. Bloss müssen Sie dabei ehrlich sein. Bringen Sie also nicht irgendwelche Ausreden oder gar Vorwürfe ("Du bist einfach faul!"), sondern sagen Sie einfach "Ich mag nicht mehr!". Kinder sind nämlich sehr viel kooperativer als Eltern meinen. Das heisst insbesondere, dass sie sehr wohl wissen, dass ihr eigenes Wohlergehen auch von dem ihrer Eltern abhängig ist. Äusserst hilfreich kann aber auch das Umfeld sein. Sie sollten sich deshalb schon bei der Wohnungswahl unbedingt Gedanken dazu machen, ob Sie zum Beispiel in den ersten Jahren nicht besser in eine offen gestaltete Familiensiedlung ziehen und das Eigenheim auf später verschieben. Wenn Sie den Bedürfnissen der Kinder in dieser Zeit den Vorrang geben, gewinnen Sie nämlich später umso mehr!

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, will es zwar immer noch gehalten werden, wenn es zum Beispiel Trost braucht. Allerdings steht nun etwas anderes im Vordergrund: Das Kind will seinen frisch entdeckten Willen durchsetzen und es wird sich mit seiner ganzen Kraft und Geschicklichkeit dafür einsetzen. Es gibt dann sprichwörtlich "kein Halten" mehr. Das ist ein Zeichen seiner gesunden Entwicklung und nicht etwa als Bösartigkeit zu verstehen. Wenn das Kind zum Beispiel zu toben beginnt, weil Sie ihm nicht geben, was es verlangt, ist es wenig hilfreich, das Kind festhalten wollen, ja es wäre sogar höchst kontraproduktiv. Sie müssen vielmehr die Standhaftigkeit aufbringen, erstens bei Ihrer Haltung zu bleiben und zweitens das Toben des Kindes auszuhalten. Sie können sich aber wenn nötig durchaus mit Ihrem Körper dem Kind entgegenstellen, so kann es die notwendige Grenze auch körperlich spüren (wenn es nach Ihnen zu treten beginnt, können Sie ihm auch noch Ihren Fuss so entgegenhalten, sodass es seine Tritte selbst zu spüren bekommt). Entscheidend ist aber immer, dass Sie beim Kind bleiben und es sich in dieser fundamental wichtigen Erfahrung nicht verlassen fühlt! Nur so kann das Kind lernen, dass es zwar seinen Willen haben darf, dieser aber an Grenzen stossen kann und es schliesslich "trotzdem" noch geliebt wird (weil Sie sich nach dem Toben wieder mit ihm versöhnen).

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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