Gebrochener Wille

Aus 2 x 2 der Erziehung
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ARTIKEL IM AUFBAU / IN ÜBERARBEITUNG!




Ein möglichst freier Wille ist, nebst einem gesunden Selbstvertrauen, die wertvollste Eigenschaft des reifen Menschen, um selbständig und beziehungsfähig leben zu können. In der Phase der Willensbildung, die in der Regel etwa im dritten Lebensjahr des Kindes beginnt, müssen die Eltern deshalb besonders aufmerksam sein, um auf dessen Willen angemessen reagieren zu können. Sind sie mit dieser Entwicklung überfordert und reagieren zum Beispiel mit Gewalt, statt dass sie konsequent angemessene Grenzen setzen, kann der Wille des Kindes gebrochen werden, womit die Persönlichkeit des Kindes massiv beeinträchtigt werden kann.

Es ist zudem eine Illusion, dass ein gebrochener Wille einfach nicht mehr da wäre. Denn wirklich zerstört werden kann er, ausser im Todesfall, nicht! Ein gebrochener Wille ist vielmehr vergleichbar mit einem durch Blitzschlag zersplitterten Baum: Der Stamm zeigt zum Beispiel in die falsche Richtung oder ein Ast liegt unter grosser Spannung auf dem Boden und kann schon durch die kleinste Berührung seine Spannung mit gefährlicher Kraft lösen. Die Folgen eines gebrochenen Willens können je nach Persönlichkeit des Kindes ganz unterschiedlich sein.

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Mögliche Ursachen

Phase der Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Während der Phase der Vertrauensbildung hat das Kind erst einen Lebenswillen, der lediglich auf die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse abzielt. Dieser Lebenswille ist gewissermassen auf das nackte Überleben des Menschen ausgerichtet und enorm stark, lässt sich also kaum brechen. Wirklich gefährlich wird es erst, wenn das Kind von seinen Eltern verlassen wird. Dazu braucht es nicht einmal eine Absicht (wie zum Beispiel die Freigabe zur Adoption), das Kind wird sich genau gleich verlassen fühlen, wenn zum Beispiel seine Eltern sterben. Denn Menschenkinder sind gewissermassen auf Gedeih und Verderb von der Sorge ihrer Eltern abhängig und sind sich dessen auch sehr wohl bewusst. Die Gefahr, dass adoptierte Kinder an ihrem Schicksal zerbrechen, ist deshalb immer da und relativ gross. Dieser Gefahr, und der damit verbundenen grossen Aufgabe, müssen sich Paare unbedingt bewusst sein, die eine Adoption in Erwägung ziehen.

Vom Extremfall der Adoption abgesehen, kann das Kind aber auch "bloss vorübergehend" verlassen werden, wenn es zum Beispiel stundenweise fremdbetreut werden soll. Als erstes müssen Sie sich bewusst sein, dass Kinder in diesem Alter noch voll im Hier und Jetzt leben, das heisst keinerlei Vorstellung von einer Zukunft haben. Wenn Sie sich also vom Kind entfernen, sind Sie weg - und zwar zunächst einmal vollkommen und endgültig! Sie müssen deshalb zwingend zuerst mit dem Kind üben, sodass es erfahren kann, dass es sich auf Ihre Wiedererscheinen verlassen kann (so wie Sie das zum Beispiel beim Verstecken spielen machen). "Abhärten" funktioniert in diesem Alter noch nicht. Wenn Sie das Kind zum Beispiel einfach so lange im Zimmer allein schreien lassen, bis es einschläft, mag das zwar funktionieren, doch hat das Kind hat schlicht resigniert.

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Phase der Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, entsteht in ihm die stärkste und kreativste Kraft des Menschen überhaupt. Die wenigsten Kinder können diese Kraft einfach von Anfang an "vernünftig dosiert" einsetzen, ganz im Gegenteil: es scheint häufig, als würden sie plötzlich von etwas getrieben, das weder sie selbst noch deren Eltern steuern, geschweige denn kontrollieren könnten. Kommt dazu, dass diese Entwicklung häufig von einem Tag auf den anderen einsetzt. Während das Kind zum Beispiel bisher in aller Selbstverständlichkeit seine sieben Sachen immer von sich aus an den richtigen Ort verräumt hat, kommt es plötzlich auf die Idee, die Schuhe mit voller Wucht und Selbstverständlichkeit in die Küche zu schmeissen. Tobsuchtsanfälle sind in diesem Alter zudem völlig normal, ja sogar ein Zeichen der gesunden Entwicklung.

"Ich will!"

Entscheidend ist nun allerdings, wie die Eltern darauf reagieren. Als Erstes müssen Sie sich sicher sein, wo Ihre Grenzen liegen (Stören Sie die in die Küche fliegenden Schuhe überhaupt?). Wenn Sie aber sicher sind, dass da eine Grenze überschritten ist, heisst es sofort "Nein" zu sagen - und konsequent dabei zu bleiben. Dieses "Zauberwort" versteht jedes Kind, jedenfalls wenn Sie es mit Überzeugung aussprechen. Sie müssen es also derart laut und deutlich aussprechen, dass ein einziges Mal genügt (je öfter und halbherziger Sie es wiederholen, desto mehr verliert es an Wirkung!). Das Kind darf dabei ruhig erschrecken, das schadet gar nichts! Sie werden ob der Wirkung vermutlich selbst staunen. Wenn Sie hingegen zaghaft sind, nachgeben oder wankelmütig werden, kann das Kind keine Grenze spüren und wird weiter danach suchen, indem es zum Beispiel beim nächsten Mal die Schuhe gleich auf Ihr Bett schmeisst. Das ist völlig normal, denn das Kind sucht Grenzen und wenn es sie nicht erhält, wird es sich eben je länger desto mehr einfallen lassen um Sie zum Reagieren aufzufordern.

Wenn Sie also auf Grenzüberschreitungen des Kindes nur halb (oder gar nicht) reagieren, wird das Kind einfach weitermachen und irgendwann wird auch den tolerantesten Eltern der Geduldsfaden reissen. Die Situation eskaliert und viele Eltern wissen sich dann bloss noch mit mehr oder weniger roher Gewalt zu helfen, sei es in Form von körperlicher Gewalt wie Schlagen oder Wegsperren, sei es in Form von psychischer Gewalt wie Strafen, Verspotten und ähnliches. Sie können sich den Willen des Kindes wie ein noch zartes Bäumchen vorstellen, das durch die Gewaltanwendung verbogen, verdrückt oder gar ganz gebrochen wird. Das Bäumchen wird zwar, solange es noch lebt, weiter wachsen, doch wird es ziemlich verkrüppelt aussehen. Der Wille wird also nicht mehr aufrichtig sein und sprichwörtlich beginnen quer zu schlagen.

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"Nein!"

Mögliche Folgen

Die Folgen eines gebrochenen Willens auf das Verhalten des Kindes sind je nach dessen Persönlichkeit ganz unterschiedlich. Es gibt Kinder, die eher resignativ reagieren und andere, die eher übermässig impulsiv, provokativ oder gar aggressiv werden. Typische Folgen sind:

  • Gewalttätigkeit: Die häufigste Folge ist Gewalt in unterschiedlichster Form. Denn Gewalt erzeugt fast immer Wut und Gegengewalt, gerade wenn sich das Opfer noch nicht anders wehren kann. Kinder können in den ersten Jahren nirgendwo Hilfe holen, da diese ja eigentlich von den Eltern kommen sollte, also die Personen, die zugleich Täter sind. Opfer der kindlichen Gewalt sind dann meistens Schwächere, wie die jüngeren Geschwister. Gerade von Gewalt betroffenen Kinder entwickeln aber auch ein sehr feines Gespür dafür, wie sie ihren Eltern Gewalt antun können, indem sie zum Beispiel gezielt wertvolle Gegenstände in der Wohnung zerstören.
  • Jähzorn: Die affektive, nich mehr kontrollierbare Form der Wut, der Jähzorn, ist fast nur noch auf Zerstörung ausgerichtet. Daraus entsteht dann häufig ein Teufelskreis, der nicht zu selten tragisch enden kann.
  • Provozieren: Kinder, die zu wenig Grenzen erhalten, suchen diese erst recht! Dabei sind sie sehr ausdauernd, indem sie zum Beispiel mit immer noch mehr Lärm provozieren, bis sie endlich eine Reaktion erhalten. In der Schule können sie auch als Störenfried auffallen.
  • Heimtückisches Verhalten: Wenn ein Kind immer wieder erfährt, dass sein Wille nicht respektiert wird, sucht es indirekte Wege um sich Geltung zu verschaffen. Häufig ist zum Beispiel zu beachten, dass das Kind jüngere Geschwister quält, sobald es sich unbeobachtet fühlt.
  • Rachegelüste: Da Kinder sprichwörtlich auf Gedeih und Verderb ihren Eltern ausgeliefert sind, können sie auch beschliessen, sich erst dann zu wehren, wenn sie zum Beispiel älter und genügend kräftig sind. Häufig ist dieser Zeitpunkt die Pubertät, zumal den Eltern dannzumal die Kontrolle über das Kind schon aus rein physischen Gründen mehr und mehr entgleitet.
  • Lügen: Eine weitere Strategie um gewalttätigen Eltern zu entkommen, sind Lügen. Wenn das Kind zum Beispiel immer wieder erfährt, dass es bestraft wird, wenn es seinen Willen durchzusetzen versucht, wird es sehr schnell lernen, welche Geschichte es den Eltern auftischen muss, um der Strafe zu entgehen.
  • Depressionen: Kinder können aber auch mit Resignation oder später gar mit Depressionen reagieren, wenn ihr Wille nicht ernst genommen wird.
  • Sucht: Kinder, denen keine angemessenen Grenzen gesetzt werden, suchen diese von sich aus und können diese später zum Beispiel in Form von Drogen aller Art finden. Süchtiges Verhalten hat seinen Ursprung meistens in den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung.

Ein gebrochener Wille kann also ganz verschiedene Folgen haben. Sicher droht aber immer eine grundlegende Schädigung der Persönlichkeit des Kindes, unter der auch der erwachsene Mensch zu leiden haben wird. Mit dem Willen des Kindes umzugehen ist eine herausfordernde, aber äusserst wichtige Aufgabe. Wird sie zu wenig ernst genommen, sind spätere Probleme schon fast vorprogrammiert. Wenn Sie selbst schon einmal eine Psychotherapie gemacht haben, werden Sie immer wieder festgestellt haben, dass Sie mit Aussagen hadern wie "Ich würde ja schon, aber...", "Ich mag einfach nicht..." oder "Eigentlich weiss ich gar nicht, was ich wirklich will.". Kern dieser Aussagen ist offensichtlich ein schwacher oder gar gebrochener Wille, den Sie als Kind einmal in seinem vollen Umfang hatten und den Sie als Erwachsener nicht mehr aufzubringen vermögen. Sie tun also gut daran, sich dem Thema Wille und Grenzen selbst anzunehmen und nicht einfach zu hoffen, dass dem Kind die Regeln des Zusammenlebens irgendwann schon irgendwer beibringen möge!

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Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

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