Konfrontieren

Aus 2 x 2 der Erziehung
(Weitergeleitet von Konfrontation)
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Der Wille des Kindes ist anfangs noch roh und ungestüm, sodass Auseinandersetzungen unumgänglich sind. Diesen müssen Sie sich als Eltern unbedingt stellen, da das Kind Ihren Widerstand braucht, um Respekt lernen zu können.

^ nach oben

Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Während der Phase der Vertrauensbildung hat das Kind erst einen Lebenswillen, der ausschliesslich auf die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse ausgerichtet ist. Diese Grundbedürfnisse, aber auch nur die, sollten Sie wenn immer möglich sofort und bedingungslos befriedigen. Es ist die Phase, in der Sie ganz grundsätzlich "Ja" sagen dürfen und sollen (ausser natürlich, es drohen wirkliche Gefahren). Konfrontation ist deshalb noch kaum ein Thema, zumal Ihnen das Kind zunächst einmal vertraut und alles für richtig hält, was Sie ihm sagen.

^ nach oben

Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, ändert sich die Ausgangslage grundlegend: Das Kind hat plötzlich, häufig von einem Tag auf den anderen, ganz eigene Absichten, die Ihnen völlig zuwiderlaufen können. War es bisher zum Beispiel immer ohne weiters bereit, zum Essen auf Ihrem Schoss zu sitzen, reklamiert es nun einen eigenen, womöglich ganz bestimmten, Platz und ist mit allem Zureden nicht mehr davon abzuhalten. Das ist ein Zeichen seiner gesunden Entwicklung, denn es spürt eine seiner wichtigsten Kräfte für das Leben überhaupt und will diese Kraft auch ausprobieren, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Grenzen kennt es von Natur aus keine es liegt deshalb in Ihrer Verantwortung, ihm diese zu setzen. Sie müssen sich im Beispiel deshalb zunächst im Klaren sein, was Sie zulassen wollen (sicher zwingen Sie das Kind nicht, auf Ihrem Schoss zu sitzen): Darf es irgendeinen Platz auswählen oder bloss innerhalb einer bestimmten Tischordnung oder haben Sie gar bereits einen bestimmten Platz vorgesehen? Jenachdem können Sie ihm also entsprechende Vorschläge machen. Ist es damit immer noch nicht einverstanden und wollen Sie auf Ihrer Haltung bestehen (weil Sie zum Beispiel auch noch auf Geschwister Rücksicht nehmen wollen), müssen Sie sich auf die Konfrontation einlassen, das heisst lernen, angemessen auf allfälliges Toben zu reagieren. Keinesfalls dürfen Sie aus Bequemlichkeit nachgeben oder umgekehrt Gewalt anwenden, indem Sie es einfach packen und platzieren, beides wäre höchst kontraproduktiv. Denn um seinen Willen gewissermassen kultivieren zu können, braucht das Kind Ihren Widerstand, ansonsten es immer weiter nach Grenzen sucht, wodurch es zunehmend mit seiner Umwelt in Konflikt gerät, was schliesslich auch zu einer Gefahr für das Kind selbst werden kann.

Schlagen und Treten

Dass sich Kinder in den ersten Jahren mit Händen und Füssen für ihre Anliegen einsetzen, ist an sich normal, zumal ihnen die kognitiven Fähigkeiten noch nicht in vollem Ausmass zur Verfügung stehen, um beispielsweise zu verhandeln. Allerdings müssen Sie als Eltern sofort eingreifen, wenn das Kind zu schlagen oder zu treten beginnt: Rufen Sie immer und sofort "Nein!" (oder auch "Stop!"). Und zwar einmal, dafür laut und deutlich. Häufig müssen Sie das Kind dabei richtig anschreien (es macht gar nichts, wenn das Kind erschreckt!). Je konsequenter Sie dabei vorgehen, desto schneller und besser die Wirkung Ihrer Konfrontation. Sie müssen dabei überzeugend auftreten, dem Kind in die Augen schauen und dürfen keinen Spielraum zulassen. Irgendwelche ironischen Bemerkungen oder vermeintliche Toleranz wären höchst kontraproduktiv. Auch dürfen Sie Ihrerseits keine Gewalt anwenden, indem Sie das Kind zum Beispiel packen oder wegsperren. Denn es nimmt Sie ja zum Vorbild, würde sich also darin bestätigt fühlen, dass es völlig normal ist, Gewalt anzuwenden. Konfrontieren Sie es stattdessen, indem Sie es auffordern zu sehen, welchen Schmerz oder wie viel Wut es bewirkt hat.

^ nach oben

Klauen und Stehlen

Auch völlig natürlich ist, dass sich Kinder in diesem Alter ganz einfach das nehmen, was sie erreichen können und wonach es ihnen gelüstet. Der Begriff des Eigentums und erst recht die damit zusammenhängenden Regeln sind noch zu komplex, um verstanden zu werden. Von Klauen und Stehlen sollten Sie deshalb in den ersten Jahren noch nicht sprechen, sondern dem Kind vielmehr erklären, was es darf und was nicht, also Grenzen setzen. Am einfachsten geht das bei Spielzeug anderer Kinder ("Der Kran gehört Max - Du musst ihn zuerst fragen, ob Du damit spielen darfst!"). Wenn das Kind dem anderen einfach etwas aus den Händen reisst, genügt auch hier ein laut und deutlich ausgesprochenes "Nein!".

^ nach oben

Schummeln und Lügen

Schliesslich gehört es auch zur kindlichen Willensbildung, mit mehr oder weniger geschicktem Schummeln zum Ziel zu kommen. Das hat in diesem Alter mehr mit Geschicklichkeit zu tun als mit böser Absicht. Trotzdem müssen Sie das Kind natürlich aufklären, dass es vorteilhafter ist, ehrlich zu sein. Konfrontieren bedeutet aber nicht Anschuldigung, sondern eben vielmehr ein gemeinsames Finden der Wahrheit. Denn langsam aber sicher ist es Zeit, dass das Kind den Unterschied zwischen Phantasie und Realität kennt und damit umgehen kann.

^ nach oben

Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Spätestens mit dem Eintritt in die (Vor)Schule wird das Kind vermehrt mit den Anliegen und Regeln seiner Umwelt konfrontiert. Während es in der Familie vielleicht noch eine Art Goodwill erlebt, werden seine Kameraden schon weniger kompromissbereit sein und auch die Lehrpersonen haben Regeln, die es einzuhalten gilt. So gibt es eine ganze Reihe an Möglichkeiten, Grenzen zu überschreiten. Das gehört zwar zur normalen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, trotzdem ist es in Ihrer Verantwortung, die Konfrontation anzunehmen. Dabei geht es nicht darum, dass Sie das Kind wie in einem Verhör zur Rede stellen, sondern dass Sie zunächst ganz einfach das Gespräch suchen und mit ihm zusammen herauszufinden versuchen, was passiert ist. Voraussetzung dafür, dass das funktioniert, ist eine tragfähige Vertrauensbasis, die Sie in den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung geschaffen haben. Dann nämlich hat das Kind kaum Hemmungen oder Angst, mit Ihnen über seine Regelverletzungen zu sprechen, womöglich ist es sogar froh, dass es seine Last oder seinen Kummer, den es sich damit zugetragen hat, mit Ihnen teilen kann.

Schummeln, Lügen

Mit den zunehmenden kognitiven Fähigkeiten wird das Kind auch herausfinden, wie es zum Ziel kommen kann, ohne dass es gerade gewalttätig sein muss. Wenn es zum Beispiel bei einem Kartenspiel Karten verschwinden lässt oder dem Tischnachbarn in die Karten schielt, ist das zunächst einmal bloss ein Zeichen seiner Schlauheit. Trotzdem müssen Sie das natürlich ansprechen und es darauf aufmerksam machen, dass das gegenüber den Mitspielern nicht gerecht sei. Schummeln ist vom Tricksen zu unterscheiden. Tricks sind Schliche, die gerade noch den Spielregeln entsprechen. Für Kinder ist das manchmal noch schwierig zu verstehen, da sie natürlich nicht das ganze Regelwerk im Kopf haben und dieses auch noch interpretiert werden kann. Zudem kann es für ein Kind auch ungerecht sein, wenn es gegen ältere Kinder spielt und die gleich strengen Regeln einhalten soll. Für Sie als Eltern tut sich da ein wunderbares Übungsfeld auf, indem Sie zusammen mit den Kindern individuelle Regeln vereinbaren. Kinder sind viel eher bereit Regeln einzuhalten, an denen sie selbst mitwirken durften.

Etwas heikler ist es mit Schummeln und Lügen, wenn das Kind auch auf Nachfrage an seiner falschen Darstellung festhält. Denn grundsätzlich sollten Lügen ja nicht nötig sein, wenn das Vertrauen intakt ist. Allerdings ist es so, dass alle Menschen lügen, gemäss Untersuchungen sogar mehrmals täglich, wenn auch nicht immer in vollem Bewusstsein und auch nicht immer in böser Absicht (wie zum Beispiel bei Notlügen oder falschen Komplimenten). Gleichzeitig sind Eltern immer die ersten Vorbilder für Kinder und zwar nicht nur im positiven, sondern eben auch im negativen Sinn. Wenn Sie das Kind damit konfrontieren, dass Sie ihm nicht abnehmen, was es sagt, teilen Sie ihm damit auch mit, dass Sie ihm nicht vertrauen, was natürlich sehr heikel ist. Denn für die Vertrauensbildung waren ja Sie selbst damals zuständig, hat doch das Kind Ihnen von Natur aus vollkommen vertraut. Wenn Ihr Kind Sie belügt, wofür Sie im übrigen als Eltern ein ziemlich sicheres Gespür haben, sollten Sie sich also immer auch selbst hinterfragen!

^ nach oben

Klauen, Stehlen

Wenn es darum geht, ein begehrtes, aber fremdes Stück zu ergattern, helfen dem Kind die zunehmenden kognitiven Fähigkeiten. Und auch das dürfen Sie zunächst als ein Zeichen seiner gesunden Entwicklung betrachten, denn Kinder haben von Natur aus keinen Begriff von Eigentum. Trotzdem müssen Sie das Kind natürlich langsam aber sicher für die Regeln unserer Gesellschaft sensibilisieren, also dem Kind erklären, wie es sich mit "Dein und Mein" verhält. Das ist anfangs für das Kind alles anders als einfach, kommt es doch auf sehr viele Umstände an und gib es dazu noch einige Ausnahmen, wie zum Beispiel beim Pflücken von Blumen, wo es offensichtlich davon abhängt, ob sie in einem Laden, in einem Garten - eigenen oder fremden - oder auf dem Feld stehen, in voller Blüte stehen oder am verwelken sind.

Mit der Sozialisation sollte das Kind genügend reif sein, um das Konzept des Eigentums zu verstehen. Sie dürfen und sollen ihm denn auch klar sagen, was es lassen muss, zumal es selbst ja auch auf seinem Besitz beharrt, also die Situation nachvollziehen kann. Das gilt erst recht, wenn das Kind heimlich oder mit List Dinge entwendet, sodass es um eigentliches Stehlen geht. Genau wie beim Lügen geht es auch hier um eine Beeinträchtigung des Vertrauens. Für eine tragfähige Vertrauensbasis waren aber Sie als Eltern in den ersten Jahren verantwortlich. Bevor Sie also dem Kind Vorwürfe machen, sollten Sie sich dem bewusst werden und sich fragen, inwiefern das Kind damals bei der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse vielleicht zu kurz kam oder ob schlicht die Versuchung derart gross ist, dass das Kind kaum widerstehen kann (weil zum Beispiel Ihr Geldbeutel allzu offen und zugänglich herumliegt).

^ nach oben

Stören und Belästigen

Die Schule hat zwar in erster Linie Bildungs- und nicht Erziehungsaufgaben, doch sind gerade Hausordnung und Schulregeln, die dem respektvollen Zusammenleben der Schüler dienen, ein hervorragendes Mittel der Erziehung. Auch Lehrpersonen sollten deshalb ihre Schüler konsequent konfrontieren, sei es bei Störungen des Unterrichts, sei es bei Belästigungen oder Schikanieren von Kameraden. Je früher Kinder erfahren, dass Grenzüberschreitungen wahrgenommen werden und Folgen haben, desto geringer die Gefahr, später die Grenzen des Strafgesetzbuchs zu verletzen. Viel wichtiger als Strafen, die gerade für Kinder meistens kontraproduktiv sind, ist es, einem Schüler zum Beispiel zu zeigen, was mit seinem Opfer geschehen ist, das er schikaniert hat. Diese Konfrontation, die vor allem auf der Gefühls- und Beziehungsebene stattfinden soll, fordert Kinder und vor allem Jugendliche zur Selbstreflexion und appelliert schliesslich an die positiven Kräfte. Das gleiche gilt natürlich auch im Sport, wo Spielregeln eine möglichst klare Grenze des zulässigen Wettkampfs ziehen: Entscheide bei Regelverstössen von Schiedsrichtern mit einer konsequenten Linie werden ohne weiteres respektiert.

^ nach oben

Konfrontation und Vertrauen

An sich geht es beim Thema Konfrontation um den Willen des Kindes, der auf Widerstand stösst, also um das zweite Grundprinzip der Erziehung. Soll die Konfrontation konstruktiv sein, ist es aber entscheidend, dass genügend Vertrauen zwischen den Eltern und dem Kind besteht, ansonsten das Kind womöglich schnell mit Verlustangst reagiert und erst recht heimlich und hinterrücks zu handeln beginnt. Daraus kann dann schnell ein Teufelskreis entstehen. Konfrontation verlangt deshalb von Ihnen ein gewisses Fingerspitzengefühl, vor allem wenn die Grenzüberschreitung des Kindes nicht gerade offensichtlich ist, sondern von Ihnen bloss vermutet wird. Auch wenn Sie als Eltern meistens sehr wohl spüren, wenn es Ihr Kind mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, sollten Sie nicht einfach etwas behaupten, sondern zum Bespiel das Kind zuerst fragen, wie es die Situation sieht. Denn bei aller Konfrontation, die nötig ist, muss auch das Vertrauen als Basis jeder Beziehung erhalten bleiben. Ist diese Basis aber da, hat das Kind in der Regel auch kaum Mühe, sein Fehlverhalten einzugestehen.

^ nach oben

Weiterführende Themen

^ nach oben

Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

^ nach oben

^ nach oben