Nein des Kindes

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Eltern fordern von ihren Kindern zu Recht, dass sie deren "Nein!" akzeptieren lernen. Denn Eltern setzen damit dem Kind eine Grenze. Allerdings hat auch das Kind Grenzen und somit ein Recht, dass seine Eltern ihrerseits dessen "Nein!" respektieren. Dass daraus Konflikte entstehen, ist offensichtlich. Entscheidend ist, dass Sie als Eltern lernen, damit umzugehen. Denn die Verantwortung dafür, dass solche Konflikte konstruktiv gelöst werden, liegt zumindest in den ersten, entscheidenden Phasen der Erziehung einzig bei Ihnen! Erst wenn Sie gelernt haben, dem Kind Grenzen zu setzen und auf seine allfälligen Tobsuchtsanfälle angemessen zu reagieren, wird es so reif sein, dass es von sich aus Ihre Grenzen respektieren kann.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Das "Nein!" des Kindes ist in den beiden ersten Jahren meistens noch sehr sanft, aber doch zumindest an seiner Gestik oder Mimik erkennbar: Es dreht zum Beispiel den Kopf weg oder macht eine kleine Handbewegung, wenn es genügend getrunken hat. Trotzdem ist es natürlich sehr wichtig, dass Sie als Eltern dieses, wenn auch noch lautlose, "Nein!" respektieren. Erstens müssen Sie lernen dem Kind zu vertrauen, dass es ganz genau weiss, wann es genug hat und zweitens schaffen Sie mit diesem Respekt die Grundlage dafür, dass das Kind später lernen kann, auch Ihr "Nein!" zu respektieren. Denn Sie sind ihm ja ein Vorbild! In der Phase der Vertrauensbildung hat das Kind ausschliesslich Grundbedürfnisse (vom Gestillt werden über Gehalten werden bis zum Trost) und es kann selbst entscheiden, wann genug ist, und es wird sich umgekehrt selbst melden, wenn es mehr davon braucht. Das gleiche gilt auch für seine Fähigkeiten: Wenn das Kind etwas selbst tun will, weil es sich das zutraut, müssen Sie es unbedingt lassen und seinen Fähigkeiten vertrauen (auch wenn es Ihnen noch unmöglich erscheint, dass es das schafft!). Ungefragte Hilfe wäre eine "Zwangsbeglückung" und ausgesprochen kontraproduktiv!

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Mit der Willensbildung, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, nimmt das "Nein!" des Kindes nur allzu häufig und dazu noch "aus heiterem Himmel" eine ungewohnt heftige und grundsätzliche Form an. Die meisten Eltern werden dann regelmässig erschrocken und "auf dem linken Fuss erwischt": Auch Kinder, die bisher jedem Vorschlag der Eltern mit Begeisterung oder doch zumindest mit Wohlwollen folgten, sagen nun plötzlich "Nein!" oder "Will ich nicht!" und sind mit keinem Mittel mehr von ihrer Haltung abzubringen.

Kategorisches "Nein!"

Die kategorische Ablehnung von allem, was von den Eltern kommt, verleitet diese häufig dazu, eine Fehlentwicklung oder gar eine Böswilligkeit des Kindes anzunehmen. Doch das Kind ist bloss dabei, etwas vom Wertvollsten überhaupt zu entwickeln, nämlich seinen eigenen Willen. Das "Nein!" ist also zunächst einmal ein Zeichen der gesunden Entwicklung des Kindes! Der Wille des Kindes kann sehr kategorisch und vehement sein. Sie sollten als Eltern deshalb gut darauf vorbereitet sein, um zu verstehen, um was es geht und angemessen auf allfällige Tobsuchtsanfälle reagieren zu können. Ansonsten besteht die grosse Gefahr, dass Sie den Respekt gegenüber Ihrem Kind verlieren und sich im schlimmsten Fall mit nichts anderem mehr zu helfen wissen als mit roher Gewalt (worauf das Kind regelmässig mit Totalverweigerung reagiert).

Wenn Ihr Kind scheinbar ohne ersichtlichen Grund und entgegen jeglicher Vernunft einfach "Nein!" sagt, sollten Sie ein Gespür dafür entwickeln, ob es ihm vielleicht "nur" darum geht, seinen Willen (gegen Ihren) durchzusetzen. In diesem Fall sollten Sie zuerst einmal tief durchatmen und nicht gleich in die Konfrontation gehen. Überlegen Sie sich in dieser Pause, ob Sie an Ihrem Willen festhalten wollen oder nicht. Dabei geht es zunächst einzig um Ihre Anliegen und die Frage, ob Ihnen diese wichtig sind oder nicht! Im einfachsten Fall, das heisst, wenn Ihnen Ihr eigenes Anliegen gar nicht wichtig ist, können Sie das "Nein!" des Kindes einfach akzeptieren. Das darf aber nicht aus lauter Bequemlichkeit geschehen! Im anderen Fall, wenn Sie an Ihrem Anliegen festhalten wollen, müssen Sie auch konsequent dabei bleiben und die Reaktion des Kindes abwarten. Die Wahrscheinlichkeit ist dann gross, dass es zu toben beginnt. Betrachten Sie diese Reaktion zunächst als Zeichen seiner gesunden Entwicklung und bleiben Sie ruhig - und vor allem: bleiben Sie beim Kind (wenn Sie sich in diesem Moment von ihm abwenden würden, würden Sie es gerade dann verlassen, wenn es Sie am meisten braucht!). Nun müssen Sie nur noch warten, bis das Kind aufgehört hat zu toben und zu schreien. Es braucht dazu weder Worte noch körperlicher Nähe (beides lehnen Kinder in solchen Momenten meistens sowieso vehement ab), sondern einzig Ihre Anwesenheit und Gelassenheit. Danach ist das Kind zur Versöhnung mit Ihnen bereit.

Diese Eskalation müssen Sie in der Regel ein bis drei Mal durchstehen, dann hat das Kind die Erfahrung gemacht, dass es zwar einen eigenen Willen haben darf, dieser an Grenzen stossen kann, es aber immer noch von Ihnen geliebt wird. Möglicherweise müssen Sie zuerst noch ein wenig "üben", bis Sie mit solchen Situationen angemessen umgehen können. Kinder sind höchst ausdauernde Lehrmeister, das heisst sie werden Sie solange herausfordern, bis Sie es gelernt haben!

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"Nein!" und Eigenverantwortung des Kindes

Wenn Sie das "Nein!" des Kindes respektieren, müssen Sie es auch die Konsequenzen tragen lassen. Wenn Sie dem Kind zum Beispiel vorschlagen, dass Sie das Pflaster in einem Ruck von seiner Haut entfernen, weil Sie wissen, dass es so am wenigsten schmerzt, das Kind dazu aber "Nein!" sagt, sollten Sie das unbedingt respektieren. Lassen Sie das Kind selbst erfahren, dass das langsame Entfernen schmerzhaft(er) ist. Sie haben damit gleich zweierlei erreicht: Erstens hat das Kind gelernt, dass es Ihrem Rat hätte vertrauen können und zweitens haben Sie ihm seinen Willen gelassen (ohne dass daraus weder ein Nachteil für Sie noch eine wirkliche Gefahr für das Kind entstanden wären). Wenn Sie hingegen dem Kind das Pflaster einfach gegen seinen Willen wegreissen, haben Sie nicht nur seinen Willen gebrochen, sondern ihm auch noch die Möglichkeit genommen zu erfahren, dass es besser Ihrem Rat gefolgt wäre (womöglich mussten Sie es zudem noch mit eigentlicher Gewalt anpacken, womit Sie auch noch sein Vertrauen zu verlieren drohen).

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"Nein!" und Schutz des Kindes

Etwas schwieriger wird es, wenn das Kind zu etwas "Nein" sagt, das eigentlich zu seinem Schutz gedacht ist. Wenn Sie ihm zum Beispiel sagen, dass es Ihnen beim Strasse überqueren die Hand geben muss, und mit "Nein!" antwortet, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Sie können ihm zunächst versuchen die Gefahren zu erklären und ihm sagen, dass Sie Angst hätten. Das wird aber häufig nichts nutzen, da die Gefahr für das Kind viel zu abstrakt ist um sie verstehen zu können (und auch sein Wille stärker sein dürfte als die Sorge um Ihre Angst). Je nach Alter beziehungsweise Reife des Kindes könnten Sie auch eine Vereinbarung suchen, bei der Sie sich genügend sicher fühlen (manchmal genügt schon, dass das Kind sich am Einkaufswagen hält statt an Ihrer Hand). Keinesfalls dürfen Sie das Kind einfach mit Gewalt an die Hand nehmen und es über den Fussgängerstreifen schleppen. Denn damit würden Sie nicht nur seinen Willen brechen, sondern auch noch eine viel grössere Gefahr schaffen, weil das Kind sich nun mit aller Kraft loszureissen versucht (und das irgendwann schaffen wird!). In diesem Fall müssen Sie Ihren Willen auf andere Art durchsetzen. Wenn Sie darauf bestehen, dass Sie mit dem Kind nur an Ihrer Hand die Strasse überqueren, das Kind das aber kategorisch ablehnt, ist die Konsequenz davon, dass Sie die Strasse eben nicht überqueren. Das bedeutet, dass Sie das zunächst dem Kind sagen und zweitens so lange warten, bis das Kind ein Einsehen hat. Unter Umständen müssen Sie einen Tobsuchtsanfall oder einen Schreikampf in Kauf nehmen oder sich gar mit Ihrem Körper dem Kind in die Quere stellen, wenn es Sie umgehen will. - Wichtig dabei ist einzig, dass Sie sich mit Ihrem Willen dem Willen des Kindes klar entgegensetzen, ruhig aber bestimmt. Das ist natürlich beim ersten Mal alles andere als einfach, doch das Gute daran ist, dass ein einziges Mal in aller Regel genügt! Und wenn es beim ersten Mal nicht gelingt (weil Sie zum Beispiel nachgegeben haben oder selbst ausgerastet sind), werden Sie schon bald eine zweite Chance erhalten, denn Kinder sind ausgesprochen ausdauernd im Suchen von Grenzen.

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"Nein!" und Verhandlungsbereitschaft

Wenn Sie erst einmal gelernt haben, das "Nein!" des Kind richtig einzuschätzen und angemessen darauf zu reagieren, können Sie in einem nächsten Schritt beginnen, mit dem Kind Vereinbarungen zu treffen. Denn die Kraft des Willens lässt sich konstruktiv nutzen. Fordern Sie das Kind auf, eigene Vorschläge zu machen, wenn es zum Beispiel nicht mitkommen will, wenn Sie im Keller Wäsche machen müssen und es nicht allein lassen wollen. Vertrauen Sie dabei seiner natürlichen Kooperationsbereitschaft. Sobald das Kind spürt, dass Sie seine Anliegen ernst nehmen, wird es bereit sein, mit Ihnen nach Lösungen zu suchen!

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Wenn das Kind erst einmal eine gewisse Selbständigkeit erreicht hat, ist es nicht mehr bloss eine Frage des Respekts, dass Sie sein "Nein!" ernst nehmen, sondern es stellt sich mehr und mehr die Frage, ob Sie überhaupt noch in der Lage sind, das Kind und seinen Willen zu hindern, ohne geradezu Brachialgewalt anzuwenden. Sobald das Kind alleine auf den Spiellatz oder in die Vorschule geht, werden Sie es nicht mehr dauernd überwachen können und müssen ihm erst recht vertrauen können, dass es sich an die getroffenen Abmachungen und Vereinbarungen hält. Solche Grenzen wird das Kind aber nur in dem Masse respektieren können, wie es das Gleiche zuvor schon von Ihnen erfahren hat, schliesslich hat es Sie während den ersten, entscheidenden Jahren zum Vorbild genommen!

Der Umgang mit dem Willen des Kindes muss also früh gelernt und geübt werden. Die Konflikte in den ersten Jahren sind zwar zunächst eine Herausforderung, doch eigentlich ziemlich einfach zu meistern, wenn Sie bloss gelernt haben, um was es wirklich geht. Wenn Sie hingegen versuchen, diesen Konflikten aus dem Weg zu gehen, indem Sie entweder dauernd nachgeben oder umgekehrt mit roher Gewalt reagieren, gehen die Konflikte nicht etwa einfach von selbst vorbei, sondern werden immer grösser. Spätestens in der Pubertät werden Sie Ihr Kind endgültig nicht mehr daran hindern können, den eigenen Willen durchzusetzen, so unvernünftig dieser dann auch sein mag: Die Kräfte Jugendlicher übersteigen die Ihrigen sehr schnell. Die Gefahr ist dann gross, dass diese Kräfte dazu benutzt werden, "die Hörner abzustossen", was selten ohne Verletzungen geht!

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Gebrochener Wille

Wenn der Wille des Kindes systematisch missachtet wird, insbesondere weil die Eltern das "Nein!" des Kindes nicht respektieren, kann diese Kraft geradezu gebrochen werden. Damit wird aber etwas vom Wertvollsten überhaupt zerstört - und das an sich zugrunde liegende Problem, nämlich Grenzen, eben gerade nicht gelöst. Mögliche Folgen können sein:

Jedes Kind reagiert aufgrund seines Temperaments anders. So gibt es durchaus auch Kinder, die nach dem Motto "Was mich nicht umbringt, macht mich stärker" funktionieren. Es gbäe allerdings sehr viel vernünftigere und vor allem weniger risikoreiche Möglichkeiten, den Willen des Kindes zu stärken!

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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