Rache des Kindes

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Mit Rache soll erfahrenes Unrecht vergolten werden. Kinder sind in den ersten Jahren noch vollkommen von der Sorge ihrer Eltern abhängig und deshalb besonders anfällig für widerfahrenes Unrecht. Das Unrecht der Eltern besteht vor allem auf in einer gleichzeitigen Verletzung des Willens und von Gefühlen, insbesondere Wut oder Trauer. Da sich das Kind gegen solches Unrecht nur sehr beschränkt wehren kann und es sich dadurch seinen eigenen Eltern ausgeliefert fühlt, können schnell Rachegelüste entstehen.

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Mögliche Ursachen

Rachegelüste sind typische Ersatzgefühle, das heisst Grundgefühle, meistens Wut oder Trauer des Kindes, die von den Eltern missachtet oder gar verachtet wurden. Damit Rachegelüste entstehen, braucht es also nebst dem widerfahrenen Unrecht immer noch eine Verletzung von Gefühlen.

Phase der Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Kinder kommen mit dem Vertrauen zur Welt, dass ihnen alles gegeben wird, was sie brauchen, das heisst, ihre Grundbedürfnisse immer und sofort befriedigt werden. Bleiben Grundbedürfnisse unbefriedigt und werden gleichzeitig auch noch Gefühle des Kindes verletzt, kann es zur Rachegelüsten kommen:

  • Nicht ernst nehmen: Wird das Kind in seinen Grundbedürfnissen nicht ernst genommen, indem es zum Beispiel nach einem Missgeschick ausgelacht oder gar verspottet wird, reagiert es je nach seiner Persönlichkeit mit Wut oder Trauer. Wird es dann auch noch sich selbst überlassen statt getröstet, kann schnell ein Teufelskreis entstehen.
  • Mangelnder Trost: Trost ist eines der wichtigsten Grundbedürfnisse des Kindes. Ganz unabhängig davon, was ihm aus welchem Grund weh tut: wenn es gehalten wird und es sich ausweinen darf, wird schon bald alles wieder vergessen sein. Wenn es aber stattdessen zum Beispiel bloss Vorwürfe der Eltern erhält, beginnt es an sich selbst zu zweifeln oder eben wütend zu werden.
  • Mangelnde Beachtung: Kinder brauchen vor allem während der Vertrauensbildung viel Beachtung und können schnell wütend werden, wenn sie einfach missachtet werden.
  • Missbrauch: Missbrauch kann zu schwersten Störungen führen, insbesondere Rachegelüsten, und zwar gerade auch dann, wenn die Erfahrungen verdrängt wurden und das Kind gar keine Erinnerungen mehr hat.

Vergelten können Kinder das widerfahrene Unrecht allerdings noch nicht wirklich, dazu fehlt ihnen in dieser Phase noch der konkrete Wille und wohl auch das Wissen, mit welchen Handlungen sie die erfahrene Unbill vergelten könnten. Immerhin haben sie aber bereits von Geburt an einen Lebenswillen, sodass sie protestieren können, wenn es um ihre Grundbedürfnisse geht. Wenn Sie zum Beispiel am Zeitung lesen sind und das Kind vergeblich Ihre Aufmerksamkeit sucht, könnte es auf die Idee kommen, Ihnen die Zeitung versuchen wegzureissen.

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Phase der Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, werden Zusammenstösse mit den Eltern unausweichlich. Darauf sollten Sie gefasst sein und lernen angemessen zu reagieren. Als Erstes braucht das Kind genügend Herausforderungen, um mit dieser für das Leben so fundamental wichtigen Kraft umzugehen lernen. Und als Zweites müssen Sie ihm klare Grenzen setzen, wenn es zu weit geht. Das heisst allerdings nicht, dass Sie dabei Gewalt anwenden dürften:

  • Gebrochener Wille: Grenzen gibt es für Kinder genauso wie für Eltern. Das heisst zum Beispiel, dass Sie es respektieren müssen, wenn das Kind "Nein!" sagt, Sie dürfen es also nicht einfach packen und dorthin stellen, wo Sie meinen, dass es hingehört, ansonsten Sie seinen Willen brechen würden. Erfährt das Kind immer wieder solche Gewalt, wird es sich irgendwann rächen wollen. Und je kräftiger es wird und je mehr es seine kognitiven Fähigkeiten entwickelt sind, desto mehr findet es auch Mittel und Wege dazu! Sie müssen also lernen, dem Kind Widerstand zu leisten, ohne es zu etwas zu zwingen. Das beste Mittel dazu sind Regeln, auf deren Einhaltung Sie konsequent bestehen müssen. Und wenn das Kind zu toben beginnt, müssen Sie lernen angemessen zu reagieren.
  • Mangelnde Versöhnung: Konfrontationen zwischen den Eltern und dem Kind sind in dieser Phase unvermeidlich. Entscheidend ist, dass Sie diese annehmen und danach bereit sind, sich mit dem Kind wieder zu versöhnen. Wenn Sie das Kind in solch wichtigen Situationen einfach allein lassen oder es abstossen, wird es sich verlassen und hilflos fühlen. Leicht möglich, dass es dann seiner Wut, mit der es nirgendwo hin konnte, bei nächstbester Gelegenheit an seinen Eltern auslässt.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Mit der Sozialisation sollte das Kind genügend reif sein, um sich auch in einer Gruppe ausserhalb der Familie behaupten zu können, das heisst, dass es seine Persönlichkeit einbringen kann und gleichzeitig auch seine Kameraden respektieren kann. Für diese Reife sind Sie als Eltern verantwortlich, waren doch die beiden ersten Phasen der Erziehung entscheidend für die Entwicklung des Kindes. Trotzdem ist es nicht ganz zu vermeiden, dass auch reife Kinder sich nicht gegen alle Übergriffe ihrer Kameraden wehren können, wenn sie zum Beispiel gehänselt oder schikaniert (Mobbing) werden. Da solche Übergriffe meistens mehr oder weniger innerhalb des Schulbetriebs oder doch zumindest auf dem Schulweg geschehen, sind vor allem die Lehrpersonen gefragt einzugreifen. Geschieht dies nicht, ist es wiederum die Pflicht der Eltern, sich für ihre Kinder einzusetzen und mit den Verantwortlichen sprechen.

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Angemessene Reaktion

Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass Ihr Kind Rachegelüste hegt, sollten Sie also unbedingt und als Erstes Ihr eigenes Verhalten überdenken. Denn solche Gedanken und Gefühle haben Kinder nicht von sich aus, sie werden vielmehr provoziert, meistens eben von den eigenen Eltern. Fragen Sie also das Kind, das zum Beispiel absichtlich Ihren Schmuck zerstören will, warum es das tut. Und begeben Sie sich auf keinen Fall auf das gleiche Niveau, indem Sie womöglich auf die Idee kommen, nun Ihrerseits Vergeltung zu üben, denn die Verantwortung für die Beziehung liegt zumindest während den beiden ersten, alles entscheidenden Phasen der Erziehung bei Ihnen, nicht beim Kind!

Es ist völlig normal, dass Ihr Widerstand beim Kind Wut auslösen kann, ganz unabhängig davon, ob Ihr Widerstand gerechtfertigt ist oder nicht. Sie sollten aber ein Mindestmass an Gelassenheit entwickeln, sodass Sie möglichst ruhig bleiben können, ansonsten schnell ein Teufelskreis entstehen kann. Bedenken Sie, dass zwischen Eltern und Kind eine Hierarchie besteht, das heisst, Sie sind verantwortlich, dass sich das Kind mit Ihnen versöhnen kann.

Rache kann äusserst gefährlich enden. Die Mischung aus verletzten Gefühlen und Willen ist explosiv. Zudem sitzen Rachegelüste tief und vergehen meistens nicht einfach mit der Zeit, ganz im Gegenteil: sie können gewissermassen gären, bis sie nicht mehr zurückgehalten werden können und dann vermeintlich aus dem Nichts explodieren.

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Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

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