Unterforderung

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Ein Kind ist dann unterfordert, wenn Sie ihm weniger zutrauen oder zumuten, als es eigentlich kann oder können will. Kinder suchen und brauchen Herausforderungen. Entscheidend ist, dass sie diese möglichst selbst bestimmen dürfen. Von den Eltern ist lediglich gefordert, dass sie den Fähigkeiten des Kindes vertrauen. Unterforderung kann zum Beispiel zu mangelndem Selbstvertrauen oder herabgesetzter Frustrationstoleranz führen.

Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Während der Phase der Vertrauensbildung ist vor allem das Vertrauen der Eltern in die Fähigkeiten des Kindes gefordert. Menschenkinder sind zwar tatsächlich auf Gedeih und Verderb auf die Sorge ihrer Eltern angewiesen, doch sorgt schon allein ihr Lebenswille dafür, dass sie möglichst alles möglichst selbst tun wollen. Das beginnt schon beim Stillen, wo dem Kind zwar die Mutterbrust hingehalten werden muss, es aber selbst saugen muss, um genügend Nahrung zu erhalten. Vertrauen Sie ihm, dass es sich alles nimmt, was es braucht und nach allem verlangt, was ihm fehlt! Das gilt auch bei allen folgenden kleineren oder grösseren Entwicklungsschritten wie Laufen lernen oder Sprechen lernen: das Kind soll selbst ausprobieren dürfen, wozu es Lust hat, denn es weiss selbst am besten, was es für sein eigenes Leben gerade braucht und wie es am besten lernt. Bestärken Sie es mit Ihrem bedingungslosen "Ja" (es sei denn, es drohen wirkliche Gefahren). Nachhelfen ist grundsätzlich fehl am Platz, auch wenn es noch so gut gemeint ist. Üben Sie sich stattdessen in Geduld und warten Sie, bis das Kind selbst danach verlangt. Ansonsten ist das Kind eben unterfordert und reagiert darauf im besten Fall mit Protest. Gewöhnen Sie sich deshalb gleich sofort an, das Kind zuerst zu fragen, bevor Sie ihm helfen. Selbst wenn es Ihnen noch nicht mit Worten antworten kann, wird es sich dadurch ernst genommen fühlen und schon bald kann es sich zumindest durch seine Mimik und Gestik verständlich machen.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt, seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, wird seine Lust auf Herausforderungen geradezu grenzenlos. Die Herausforderung Ihrerseits besteht nun darin, ihm auch angemessen Grenzen zu setzen und ihm zuzumuten, dass es damit wird umgehen können. So wie es in der Phase zuvor Ihr bedingungsloses "Ja" brauchte, braucht es nun Ihr konsequentes "Nein!". Oder anderes gesagt: es braucht den Widerstand, um sich entwickeln zu können. Hat es zu wenig Herausforderungen, ist es unterfordert und sucht immer weiter nach Grenzen, sei es im gefährlichen Übermut, sei es durch übermässiges Stören. Wenn Sie dem Kind konsequent "Nein" sagen, werden Sie auch noch lernen müssen, angemessen auf allfälliges Toben zu reagieren. In dieser Phase geht es also darum, dass Sie dem Kind zumuten, mit Herausforderungen und Widerstand umzugehen. Führen Sie das Kind dazu in die freie Natur und freuen Sie sich darüber, wenn es Bäche durchqueren oder Bäume hochklettern will. Respektieren Sie aber auch, wenn es sich ängstigt und noch zuwarten will. Kinder entwickeln sich ganz unterschiedlich, haben sie doch ganz individuelle Neigungen und Fähigkeiten. Vergessen Sie Entwicklungstabellen und Lehrpläne, die auf statistischen Durchschnitten beruhen. Ihr Kind weiss selbst am besten, was es sich zumuten kann und was nicht. Es braucht von Ihnen bloss Bestätigung für das, was es gerade kann und will, und will nicht etwa mit anderen verglichen werden.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Der Eintritt in die (Vor)Schule ist für die meisten Kinder an sich schon eine grosse Herausforderung, werden sie doch mit vielem Unbekannten konfrontiert und müssen sich nun gegen andere Kinder behaupten können, ohne dass ihnen dauernd die Eltern oder eine Betreuungsperson zur Hilfe eilen würden. Die Gefahr der Unterforderung ist schon allein deshalb nicht allzu gross. Im Gegenteil: wurde das Kind in den beiden ersten, entscheidenden, Phasen der Erziehung unterfordert, so wird es jetzt mit grosser Wahrscheinlichkeit ziemlich überfordert sein, da sein Selbstvertrauen noch nicht genügend entwickelt ist.

Der Schulstoff kann für Kinder je nach Begabung natürlich sowohl eine Unter- als auch eine Überforderung darstellen. Und leider sind die wenigsten (öffentlichen) Schulen dafür eingerichtet, mit stark divergierenden Leistungsniveaus umgehen zu können. Häufig wird die schulische Unterforderung von Eltern überschätzt, da die Ausprägung meistens sehr einseitig ist, also zum Beispiel bloss die Mathematik oder die Musik betrifft, während im Sozialverhalten Nachholbedarf besteht. Nicht jede spezielle Begabung ist denn auch eine Hochbegabung, die spezieller Aufmerksamkeit bedürfte. Wenn sich das Kind in der Schule langweilt, ist sicher ein Gespräch mit den Lehrpersonen angezeigt, wo die Möglichkeiten individueller Aufgaben besprochen werden können, ansonsten aus der Freude am Lernen sehr schnell ein Frust werden kann.

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Herausforderung als Gratwanderung

Kinder suchen und lieben Herausforderungen, denn ohne gibt es kein Wachstum. Das dürfen Sie als Eltern natürlich nutzen, indem Sie vom Kind zum Beispiel eine Gegenleistung fordern, wenn es Wünsche hat, die über das Übliche hinausgehen, statt ihm einfach gleich nachzugeben.

Die Herausforderung Ihrerseits liegt darin, dass Sie das Kind möglichst weder über- noch unterfordern. Dafür müssen Sie eine Gespür entwickeln, indem Sie das Kind aufmerksam beobachten. Unterfordern ist schliesslich auch von Langeweile und zu unterscheiden. Gerade Kinder, die ja enorm viel lernen, brauchen Pausen zur Erholung, währenden denen sie sich durchaus langweilen dürfen.

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Vertrauensbildung (erstes Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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