Verantwortung der Eltern

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Die Erziehung von Kindern ist eine grosse Aufgabe und vielleicht sogar die wichtigste Aufgabe eines Menschen überhaupt. Trotzdem sollten Sie sich als Eltern im Klaren sein, wo die Grenzen Ihrer Aufgabe und Verantwortung liegen, ansonsten Sie sich womöglich nur allzu schnell selbst überfordern - und dafür umgekehrt genau das vernachlässigen, was Sie eigentlich unbedingt hätten tun sollen und auch ohne weiteres hätten tun können.

Das Ziel der Erziehung sollte die Selbständigkeit und Beziehungsfähigkeit des Kindes sein. Die Grundlage dafür, dass das Kind dieses Ziel auch erreichen kann, legen in erster Linie Sie als Eltern in den ersten vier Jahren des Kindes. Danach, das heisst, wenn das Kind genügend reif ist, nimmt Ihre Verantwortung rapide ab und Sie können sich mehr und mehr auf eine Art Begleitung beschränken. Zuvor müssen Sie aber gelernt haben, erstens dem Kind zu vertrauen und ihm zweitens, wenn es ab etwa dem dritten Lebensjahr beginnt seinen Willen zu entwickeln, konsequent Grenzen zu setzen.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Menschenkinder sind bei ihrer Geburt auf Gedeih und Verderb ihren Eltern ausgeliefert, das heisst, sie könnten ohne sie, oder zumindest ohne Elternersatz, nicht überleben. Schon das allein erklärt die grosse Verantwortung, die Sie als Eltern zu übernehmen haben. Allerdings sollte es Ihr Ziel sein, dass das Kind bis zum Ende der eigentlichen Erziehungsarbeit, also nach etwa vier Jahren, so reif ist, dass es sich bereits weitgehend selbst für sein Tun und Lassen verantwortlich fühlt. Das bedingt, dass Sie dem Kind von Anfang an möglichst viel Verantwortung überlassen, indem Sie es zum Beispiel grundsätzlich immer selbst entscheiden lassen. Am Anfang geht es dabei noch um elementare Dinge, wie Essen und Schlafen: Das Kind soll selbst entscheiden dürfen, wie viel es essen mag und wann es bereit ist schlafen zu gehen. Verantwortung überlassen heisst aber nicht nur, dass Sie das Kind selbst entscheiden lassen, sondern dass Sie es auch die Konsequenzen davon tragen lassen. Wenn das Kind also zum Beispiel absichtlich Spielsachen fort wirft, müssen Sie es auffordern, diese auch selbst wieder zurückzuholen.

In den ersten beiden Jahren der Erziehung tragen Sie als Eltern vor allem die Verantwortung dafür, dass Sie dem Kind, beziehungsweise seinen Grundbedürfnissen und seinen Fähigkeiten, vertrauen. Aus diesem Vertrauen entwickelt das Kind in gleichem Masse Selbstvertrauen. Ermuntern Sie das Kind zum Beispiel den Löffel selbst in die Hand zu nehmen und warten Sie mit Hilfe so lange zu, bis es diese selbst verlangt. Ihre Verantwortung liegt nämlich nicht darin, dass dem Kind kein Missgeschick geschieht, sondern dass Sie an seine Lernfähigkeit glauben. Ein ausgezeichnetes Mittel, dem Kind Verantwortung zu übergben, ist der Rucksack: Sobald das Kind sicher laufen kann, können Sie ihm zum Beispiel die Entscheidung überlassen, was es alles an Spielsachen oder Kuscheltieren mitnimmt - vorausgesetzt, es trägt sie selbst in seinem Rucksack. So kann es nicht bloss selbst bestimmen, sondern auch gleich spüren, wie schwer oder umständlich solcher "Ballast" werden kann, also wortwörtlich Verantwortung tragen (manche Kinder brauchen nach einem derartigen Tobsuchtsanfall zuerst noch Trost).

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Mit der Willensbildung ab etwa dem dritten Lebensjahr beginnt sich Ihre Verantwortung, die in den ersten beiden Jahren ziemlich umfassend war, auf ein einziges, aber entscheidendes Thema zu fokussieren: Sie sind dafür verantwortlich, dem Kind konsequent Grenzen zu setzen. Denn Kinder kommen zunächst ohne Grenzen auf die Welt, sie sind noch eins mit ihrer Umgebung und überhaupt dem Universum, weshalb sie zunächst ja auch grenzenlos ihren Eltern vertrauen. Plötzlich beginnt das Kind aber zu wollen und sagt "Nein!". Wenn das Kind zum Beispiel beim Überqueren der Strassen von einem Tag auf den anderen Ihnen die Hand nicht mehr geben will ist das zunächst ein gutes Zeichen für seine Entwicklung. Entscheidend ist nun aber, wie Sie darauf reagieren. Sie werden es zunächst wohl mit einer Ermunterung und Erklärung zum Thema Gefahren von Autos nochmals probieren - und damit ziemlich sicher erfolglos sein (zumal das Kind in diesem Alter die Gefahr von Autos noch gar nicht erfassen kann). Und während Sie den Willen des Kindes respektieren sollten, sind Sie gleichzeitig für seine Sicherheit verantwortlich. Diese Aufgabe ist auf den ersten Blick nicht einfach, aber lösbar:

Wenn Sie in diesem Moment noch "vernünftig" mit dem Kind sprechen können, also es noch nicht zu toben begonnen hat, können Sie mit ihm eine Vereinbarung suchen, wonach es zum Beispiel ohne Ihnen die Hand zu geben über die Strasse gehen darf, aber immer dicht bei Ihnen sein muss. Vereinbaren heisst, dass Sie mit dem Kind zusammen eine Abmachung suchen, das Kind also auch Vorschläge machen darf und Sie am Schluss ausdrücklich nachfragen, ob es mit der Vereinbarung einverstanden ist. Damit übergeben Sie dem Kind Verantwortung und es wird sich entsprechend Mühe geben, sich an die Vereinbarung zu halten.

Jenachdem wie heftig der Wille im Kind gerade ausgebrochen ist, hat es aber bereits auf Ihr "Nein!" zu schreien und toben begonnen, da es auf Ihren Widerstand mit Wut reagiert. Auch das ist völlig normal und ein Zeichen gesunder Entwicklung. Jetzt gilt es zunächst einmal Ruhe zu bewahren, ansonsten es sehr schnell gefährlich wird (wenn Sie das Kind zum Beispiel festhalten, es sich aber losreissen kann und auf die Strasse rennt). Ihre Verantwortung besteht nun darin, standhaft zu bleiben, also erstens beim Kind zu bleiben und diesem - wenn nötig - den Weg über die Strasse zu versperren und zweitens ruhig zu warten, bis das Kind aufgehört hat zu toben. Erst wenn es sich vollständig beruhigt hat, können Sie wieder mit ihm sprechen und mit ihm vereinbaren, wie Sie die Strasse nun sicher überqueren.

Wenn Sie sich diese Zeit nehmen, werden Sie staunen, wie einfach Sie mit dem Kind wieder umgehen können. Das Kind hat erfahren, dass es war seinen eigenen Willen haben darf, mit diesem auch auf Widerstand stossen kann, es aber trotzdem nicht verlassen wird und sich mit Ihnen schlussendlich wieder versöhnen kann. Diese Lernerfahrung ist für das Kind absolut fundamental!

Vereinbaren heisst also Verantwortung teilen: Während Sie anfangs die volle Verantwortung tragen mussten, können Sie diese mit der Willensbildung zunehmend dem Kind übertragen. Damit entlasten Sie sich selbst und geben dem Kind die Möglichkeit, sich über seine eigenen Erfolge freuen zu können. Denn Kinder sind sehr stolz darauf, wenn sie spüren, dass sie eine Aufgaben erfüllen konnten, die ihnen die Eltern übertragen haben. Entscheidend ist dabei, dass Sie die Aufgabe zusammen mit dem Kind vereinbart haben.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Wenn Sie während den entscheidenden Phasen der Erziehung, also bis etwa zur Sozialisation, gelernt haben, erstens dem Kind zu vertrauen und ihm zweitens konsequent Grenzen zu setzen, haben Sie Ihre Aufgaben bereits weitghend erfüllt. Das heisst, Sie sind gewissermassen aus der Verantwortung entlassen und können sich auf eine Art Begleitung beschränken. Denn sobald das Kind in die (Vor)Schule geht und zum Beispiel ohne Ihre ständige Aufsicht mit seinen Kameraden spielt, wird es eine Vielzahl von Entscheidungen treffen, für die es auch die Verantwortung zunächst alleine wird übernehmen müssen. So ist es immer wieder erstaunlich, wie gut Kinder kleinere Streitereien untereinander selbst lösen können. Selbstverständlich braucht es ab und zu immer noch Ihre Hilfe oder gar Ihr Eingreifen, mehr und mehr genügt es aber auch, dass die Situation nachträglich besprochen wird.

Als Eltern sind Sie natürlich nach wie vor schon rein rechtlich für Ihre Kinder verantwortlich. Aus Sicht der Erziehung sollte es aber Ihr ständiges Ziel sein, dass Sie diese Verantwortung kontinuierlich dem Kind abgeben. Das Kind wird Ihnen dabei schon dadurch helfen, dass es von sich aus immer alles selbst machen will. Dem sollten Sie grundsätzlich auch immer zustimmen, aber eben nur, wenn Sie auch bereit sind, ihm die Verantwortung für die Konsequenzen zu überlassen. Ein hervorragendes Übungsfeld ist zum Beispiel das Taschengeld: So können Sie nach und nach Erhöhungen vereinbaren und dem Jugendlichen so die Verantwortung für weitere Ausgaben überlassen. In Ihrer Verantwortung liegt dann bloss noch gelegentlich zu besprechen, ob das auch einigermassen klappt. Die Konsequenzen muss dann aber das Kind tragen, also zum Beispiel mal ein halbes Jahr in zu engen Hosen herumlaufen, weil das Kleidergeld "unglücklicherweise" für etwas anderes draufgegangen ist.

Denken Sie einfach daran, dass Ihre Kinder früher oder später, meistens aber schneller als Sie denken, sowieso für alles selbst verantwortlich sind. Es ist deshalb von grossem Vorteil, wenn sie schon möglichst früh üben können, nämlich dann, wenn die Tragweite von Fehlern und Missgeschicken noch nicht so gross ist. Wenn Sie hingegen aus lauter Mitleid immer wieder die Verantwortung übernehmen (und im obigen Beispiel einfach neue Hosen spendieren), nehmen Sie dem Kind die Chance zum Lernen, was sich sehr schnell sehr kontraproduktiv auswirken wird.

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Verantwortung und Gefahren

Unsere hochtechnisierte Umwelt beinhaltet für Kinder mannigfaltige Gefahren, von der Steckdose über Medikamente und den Kochherd bis zum Strassenverkehr. Als Eltern sind Sie da trotz aller Vorsichtsmassnahmen der Industrie gefordert, zumal schon Kleinkinder von technischen Dingen magisch angezogen werden.

Sobald der Aktionsradius des Kleinkindes durch Krabbeln grösser wird, kommen Sie aber kaum mehr nach, wenn Sie einfach alles verstecken und wegsperren wollen, was dem Kind irgendwie zur Gefahr werden könnte, zumal es auch grössere Hürden schon bald überwinden kann. Ihre Strategie sollte deshalb eine andere sein: Machen Sie das Kind mit den Gefahren vertraut! Zeigen Sie ihm zum Beispiel, von wo an der Ofen heiss wird und überlassen Sie ihm den Lichtschalter zum spielen, der ja absolut keine Gefahr darstellt. Auf diese Weise zeigen Sie dem Kind, dass Sie ihm erstens Verantwortung übertragen und es zweitens in Ihre Tätigkeiten einbeziehen. Auch Zundhölzer beispielweise sollten Sie unbedingt zusammen mit dem Kind ausprobieren. Wenn Sie diese nämlich einfach verstecken, wird die Versuchung noch grösser sein, es in einem unbeaufsichtigten Moment selbst auszuprobieren. Irgendwann werden Sie dem Kind dann die Verantwortung ganz übergeben können und es wird es als seine Aufgabe betrachten, die Kerzen anzuzünden. Damit hat es dann ganz nebenbei das gegenseitige Helfen als etwas Positives erfahren.

Insbesondere vor Bagatellgefahren sollten Sie Ihr Kind nicht speziell schützen, denn das wäre geradezu kontraproduktiv: Wenn das Kind nie erfahren kann, dass es sich zum Beispiel beim Herumtoben irgendwo anschlagen und weh tun kann, wird es auch nie lernen können, dass es vorsichtiger sein sollte. Zudem will es seinen Bewegungsdrang trotzdem ausleben und Gelegenheiten suchen und finden, bei denen Sie nicht anwesend sind, und vor lauter Übermut, der in ihm aufkommen wird, unnötig grosse Risiken eingehen, die es womöglich nicht mehr meistern kann, weil es zuvor eben nicht lernen konnte, vernünftig mit Risiken umzugehen. Es ist denn auch kein Wunder, dass gerade überbehütete Kinder regelmässig die schlimmeren Unfälle erleiden müssen.

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Verantwortung und Gesellschaft

Erziehung ist sowohl ein Recht als auch eine Pflicht der Eltern, die weder an die Schule noch an Therapieeinrichtungen oder gar an die Polizei delegiert werden können (und auch nicht an dieses Wiki). Unsere westliche Zivilisation bringt es überdies mit sich, dass weder eine Sippe existiert noch von den Nachbarn erwartet werden kann, dass diese für alle Kinder, also nicht nur die eigenen, schauen würden.

Diese stark auf das Individuum fokussierte Lebensform hat unbestrittenermassen einige Vorteile für die Unabhängigkeit der einzelnen Menschen. Gerade für junge Eltern kann es aber zu einer enormen Belastung werden, zumal wenn auch noch die Grosseltern weit weg sind, was in einer hochmobilen Gesellschaft mehr und und mehr zur Regel wird. Werdende Eltern tun deshalb gut daran, bei der Wohnungswahl in erster Linie darauf zu schauen, ob wenigstens die Umgebung kindgerecht ist, Kinderbetreuung in der Nähe gewährleistet ist und auch noch andere Familien in der Nähe sind. So kann immerhin eine teilweise Entlastung in der Betreuung organisiert werden. Verschieben Sie also die Verwirklichung Ihrer "Wohnträume" vorläufig zugunsten der Kinder!

Während die Betreuung der Kinder zumindest teilweise organisiert und somit delegiert werden kann, bleibt die Verantwortung für die Erziehung immer bei den Eltern. Das Vertrauen der Eltern und konsequente Grenzen sind Grundbedürfnisse des Kindes, das heisst, wenn es diese nicht von seinen Eltern erhält, sucht es sie woanders. Damit wird aber nicht nur die Beziehung zu den Eltern aufs Spiel gesetzt, sondern dem Kind eine Verantwortung übertragen, die es überfordert!

Zu guter Letzt müssen Sie noch damit umgehen können, dass unsere westliche Zivilisation nicht nur medizinische Vollversorgung und allgemeinen Wohlstand hervorgebracht hat, sondern gerade für Kinder auch ihre Schattenseiten hat, angefangen bei einer Unmenge an Gefahren durch technische Geräte, insbesondere Autos, über Reizüberflutung durch Werbung bis zu Umweltverschmutzung und Drogenmissbrauch. Sie müssen also Ihre Kinder zumindest in den ersten Jahren auch vor einigen Nebenerscheinungen unserer "schönen, neuen Welt" schützen. Gleichzeitig gilt es zu bedenken, dass die Kinder spätestens mit der Sozialisation sowieso in Kontakt mit all den Verführern unserer Gesellschaft kommen. Es ist denn eine Gratwanderung, wenn Sie die Kinder zum Beispiel möglichst naturnah erziehen wollen und sie trotzdem auf die Realität der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen vorbereiten wollen: So können Sie zum Eispiel möglichst gesunde Lebensmittel verwenden, aber trotzdem nicht verhindern, dass die Kinder von der Werbung für industriell hergestellte Fertigprodukte angezogen werden.

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Verantwortung und Schicksal

Die Verantwortung der Eltern für ihre Kinder ist also gross, vor allem in den ersten, entscheidenden Jahren. Das heisst aber noch nicht, dass Sie für alles verantwortlich sind, was dem Kind widerfährt. Das Kind hat nämlich eine eigene Persönlichkeit und somit auch ein eigenes, wie auch immer definiertes, Schicksal (und je nach Glaubenseinstellung auch eine eigene Seele). Zur Persönlichkeit gehört insbesondere ein eigenständiger Wille. Das heisst, das Kind kann eigene Entscheidungen treffen, die Sie weder beeinflussen noch verhindern können.

Ihre Verantwortung kann deshalb nur so weit gehen, als Sie dem Kind ermöglichen, Selbstvertrauen zu entwickeln und seinen noch rohen Willen zu einem freien Willen zu kultivieren. Was es schliesslich damit macht, wird es schon sehr früh selbst entscheiden und damit auch selbst verantwortlich sein. Diese Loslösung beginnt nicht etwa erst mit der Pubertät, sondern bereits in den ersten Jahren. Sie tun deshalb gut daran, wenn Sie sich schon bald nach der Geburt mit dem Gedanken des ständigen Loslassens auseinandersetzen.

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Verantwortung und "Erblasten"

Wenn Sie sich mit dem Thema Erziehung beschäftigen, werden Sie schon sehr bald feststellen, dass Sie auch Ihrerseits einiges an wertvollen Eigenschaften, aber auch einige Eigenheiten, auf die Sie besser verzichtet hätten, von Ihren eigenen Eltern übernommen, also gewissermassen geerbt, haben. Um es vorweg zu nehmen: Solche Erblasten sind unvermeidlich! Und Sie werden beim besten Willen nicht verhindern können, dass auch Sie einiges weitergeben, ob bewusst oder unbewusst. Sie können die Gefahr bestenfalls etwas mildern, indem Sie sich Ihren Eigenheiten bewusst werden und daran arbeiten. Aber auch Ihre Kinder werden Sie zum Vorbild nehmen und dabei eben gerade nicht unterscheiden, was daran gut ist und was weniger. So gesehen sind wir alle Opfer von Opfern von Opfern.

Als Eltern sollten Sie sich deshalb schon allein deshalb vom Gedanken verabschieden, dass Sie perfekt sein könnten. Perfektion wird in der Erziehung zum Glück auch gar nicht verlangt! Denn erstens können Kinder erstaunlich gut mit Unzulänglichkeiten ihrer Eltern, ja überhaupt ihrer Umwelt, umgehen und zweitens dient ja gerade ihr eigener, sich entwickelnder Wille dazu, sich frei zu entscheiden, was sie für gut befinden und was nicht.

Schon mehr hilft deshalb der Gedanke der Vollkommenheit, der nebst dem Schönen und Guten auch die Schattenseiten miteinschliesst: Die Erblasten, die Sie Ihrem Kind unweigerlich mitgeben, sind zunächst einmal ganz einfach eine Art Ballast oder Hypothek, oder neutraler ausgedrückt eine Energiereserve, die das Kind in einer Art "Rucksack" mit sich trägt. Da das Kind diese Erblast aber von Ihnen in einem positiven Zusammenhang übernommen hat, weil es Sie nämlich als Vorbild betrachtet hatte, merkt es zunächst gar nicht, dass es da eine Last, zum Beispiel in Form von problematischem Verhalten in Beziehungen, mit sich trägt. Häufig sind es die späteren Partner, die auf ein solches Verhalten aufmerksam machen. Dann aber wird es Zeit, das Problem anzuerkennen und daran zu arbeiten. Und die meisten Menschen, die zum Beispiel im Rahmen von Therapien an solchen Themen erfolgreich gearbeitet haben, spüren danach nicht nur eine wohltuende Befreiung, sondern eben auch die freigelassene Energie, die sie ab sofort für ihre konstruktiven Vorhaben nutzen können.

Wenn Sie als Eltern solche Erblasten Ihrer Eltern angehen, kommen Sie auch Ihrer Verantwortung gegenüber Ihren Kindern nach, denn diese sind es wert, sich frei von altem Plunder ihrer Vorfahren entwickeln zu dürfen. Ein Rest wird aber immer bleiben. Die Verantwortung für diesen Rest müssen früher oder später die Kinder wiederum übernehmen und daran arbeiten. Auf diese Weise sollte der Rest aber immerhin von Generation zu Generation kleiner werden.

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Verantwortung und Versöhnung

Nun gibt es leider nicht bloss mehr oder weniger harmlose Eigenheiten, die vererbt werden, sondern auch schwerwiegendere Erziehungsfehler bis zu eigentlichem Missbrauch oder Gewalttätigkeit, die, je nach Persönlichkeit des Kindes, mehr oder weniger traumatische Auswirkungen haben können. Abgesehen davon, dass es dabei um die strafrechtliche Verantwortung geht oder doch zumindest gehen sollte, sollte es auch ein Thema für die betroffenen Eltern im Zusammenhang mit ihren Kindern sein. Denn als Opfer tragen sie häufig eine riesige Wut oder gar Hass auf ihre Eltern in sich, die nicht nur gefährlich werden kann, wenn sie ausbricht, sondern auch heikle Blockierungen verursachen kann, solange sie noch gestaut wird.

Für von elterlicher Gewalt oder Missbrauch betroffene Eltern stellt sich deshalb die Frage, was mit ihrer Erblast im Zusammenhang mit ihren eigenen Kindern geschieht (wenn sich die Eltern die Frage gar nicht erst stellen, entsteht natürlich die noch grössere Gefahr, dass der Gewaltmissbrauch einfach und schon fast selbstverständlich der nächsten Generation weitergegeben wird). Wenn die Erblast als eine Art "Rucksack" mitgetragen wird, muss dieser vor den Kindern versteckt werden, da diese ja nach dem Inhalt fragen könnten. Daraus können allerlei Tabus entstehen, auf die Kinder im besten Fall mit Verwirrung reagieren, im schlimmsten Fall aber auch mit bedrückenden Schuldgefühlen, da sie sich sehr schnell für Unstimmigkeiten verantwortlich fühlen. Solche Rucksäcke bergen häufig emotional sehr "explosive Gemische" und die Gefahr ist gross, dass es irgendwann zum "Knall", also einer Überreaktion, kommt, sei es, weil der Rucksack aus Versehen irgendwo angeschlagen wurde, sei es, weil ein unbeteiligter Dritter sich des gefährlichen Inhalts nicht bewusst war und entsprechend unvorsichtig unangenehme Fragen dazu stellte.

Den Rucksack einfach zurückgeben, geht in der Regel nicht, da sich die Verursacher nicht mehr für die mittlerweile erwachsenen Kinder verantwortlich fühlen. Grundsätzlich ist das richtig, denn spätestens mit dem Erwachsenwerden, sollte ja die Verantwortung vollkommen von den Eltern auf die Kinder übertragen worden sein. Betroffenen Eltern bleibt deshalb, abgesehen von einer allfälligen strafrechtlichen Verfolgung, nur das Mittel der Versöhnung. Ob diese Versöhnung allein oder zusammen mit den Verursachern angegangen wird, ist sekundär, zumal die Verursacher sich häufig gegen eine Aufarbeitung weigern dürften beziehungsweise sonst unfähig dazu sind oder gar nicht mehr da sind. Primär geht es darum, dass sich betroffene Eltern der Problematik bewusst sind. In der Regel dürfte für die angestrebte Versöhnung professionelle Hilfe nötig sein, denn auch das gehört zu Ihrer Verantwortung als Eltern: dass Sie Hilfe organisieren, wenn Sie sich überfordert fühlen!

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Mitgefühl und Mitleid

Die enge Beziehung zwischen Eltern und Kind bringt es mit sich, dass sich viele Eltern auch für die Gefühle ihrer Kinder, insbesondere bei Schmerz und Trauer, verantwortlich fühlen. Dabei handelt es ich um ein grosses Missverständnis. Denn erstens gehören die Gefühle zur jeweiligen Persönlichkeit des einzelnen Menschen und zweitens ist es unmöglich, die Gefühle eines anderen Menschen wahrzunehmen: Auch als Eltern können Sie lediglich die Emotionen Ihres Kindes wahrnehmen. Diese sind aber bloss Ausdruck von Gefühlen und es gibt dafür keine 1:1-Übersetzung: Wenn das Kind zum Beispiel schreit, kann das sowohl Schmerz als auch Trauer (oder bloss Hunger) bedeuten und wenn es traurig ist, kann es dass mittels Weinen oder bloss durch heruntergezogene Mundwinkel zeigen. Sie sind also immer auf eine Interpretation der Emotionen angewiesen, um die Gefühle des Kindes erahnen zu können.

Das einzige, was Sie wirklich können, sind Ihre eigenen Gefühle wahrnehmen (und schon dabei haben viele Eltern grösste Mühe!). Denn Mitgefühl bedeutet, das Kind so anzunehmen, wie es ist, und gleichzeitig nach innen (!) zu gehorchen, was mit Ihren eigenen Gefühlen geschieht. Demgegenüber wird beim Mitleid sozusagen das Leid des anderen aufgesogen, sodass am Ende beide zu leiden beginnen. So wird dem Kind aber rein gar nichts geholfen, ganz im Gegenteil: Vor lauter Leid können Sie es nämlich womöglich gar nicht mehr richtig trösten. Und streng genommen geht es dabei sogar um eine Grenzüberschreitung, da Sie sich gewissermassen in die Gefühlswelt des Kindes einzumischen versuchen.

Als Eltern müssen Sie deshalb lernen, die eigenen Gefühle von denen des Kindes zu unterscheiden. Je besser Sie Ihre eigenen Gefühle wahrnehmen können, desto besser werden Sie auch die Emotionen des Kindes richtig interpretieren. Sie sollten sich aber in jedem Fall immer zuerst durch Nachfragen versichern, ob Sie auch einigermassen richtig liegen mit Ihrer Interpretation. Und vor allem: Sie sind nicht (!) verantwortlich für die Gefühle Ihres Kindes, diese gehören dem Kind allein. Ihre einzige diesbezügliche Verantwortung besteht darin, dass Sie die Gefühle des Kindes respektieren!

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Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


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