Verbieten

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Die eigentliche Erziehung während den ersten Jahren kommt ohne jegliche Verbote aus. Voraussetzung dafür ist, dass Sie während der Vertrauens- und Willensbildung gelernt haben, konsequent mit Regeln zu arbeiten. Verbote, verbunden mit entsprechenden Strafen, machen nur dann Sinn, wenn das Vertrauen so klein ist, dass die Beziehung massiv beeinträchtigt ist, beziehungsweise gar keine Beziehung besteht. Es liegt in der Verantwortung der Eltern, dass es nicht so weit kommt!

Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Während der Phase der Vertrauensbildung sollten Sie zu Ihrem Kind möglichst immer und uneingeschränkt "Ja" sagen, denn das Kind hat in dieser Zeit ausschliesslich Grundbedürfnisse. Verbote oder gar Strafen sind nicht bloss unangebracht, sondern würden das Vertrauen zwischen Ihnen und dem Kind massiv beeinträchtigen. Je umsichtiger Sie die den Bedürfnissen des Kindes nachkommen, desto mehr wird sein von Natur aus vorhandenes Vertrauen in Sie bestätigt. Nur so wird es Ihnen auch dann vertrauen, wenn Sie es vor etwas warnen müssen, was es eigentlich gelüstet.

Wenn Sie Gefahren fürchten, müssen Sie Ihr Kind natürlich schützen. Sagen Sie ihm aber, wovor Sie es schützen oder sorgen Sie dafür, dass die Gefahr schon gar nicht entstehen kann. Wenn Sie es zum Beispiel vor zu viel Süssigkeiten bewahren wollen, müssen Sie diese eben ausserhalb seiner Sicht- und Reichweite verräumen. Oder wenn Sie es vor dem Strassenverkehr schützen wollen, können Sie es auffordern auf Ihrer von der Strasse abgewandten Seite zu gehen. Sagen Sie dem Kind immer, was es tun soll ("Komm auf diese Seite und gib mir die Hand!") und nicht, was es nicht tun soll ("Lauf nicht immer so nahe an den Autos!"), denn Kinder können in diesem Alter Negierungen, insbesondere das Wort "nicht", noch nicht verstehen! Treffen Sie mit ihm klare Abmachungen. Eine Abmachung ist einseitig, das heisst, Sie müssen sie dem Kind bloss mitteilen und prüfen, ob es sie auch verstanden hat, hingegen braucht es sein Einverständnis nicht (eine Erklärung genügt).

Schliesslich handelt es sich bei den meisten Gefahren, deretwegen Eltern in Versuchung kommen Verbote auszusprechen, um blosse Bagatellgefahren, also solche, die zwar schmerzhaft sein können, aber nicht zu eigentlichen Verletzungen führen. Diese sollten Sie dem Kind zutrauen und es allenfalls trösten. Während Sie zum Beispiel das Bücherregal gegen Umstürzen sichern müssen (weil sonst ernsthafte Verletzungen drohen), sollte das Kind ruhig erfahren dürfen, was geschehen kann, wenn es zu sehr an einem Stuhlbein rüttelt. Es wird daraus einerseits lernen, wie es mit dem Stuhl umgehen muss und dass andererseits Ihre Warnungen durchaus Sinn machen. Verbieten Sie ihm hingegen gänzlich am Stuhl zu zerren, würden Sie ihm eine wichtige Erfahrung vorenthalten und dabei erst noch sein Vertrauen, das es von Natur aus in Sie hat, gefährden!

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, kommen manche Eltern in Versuchung, mit Verboten zu arbeiten, ist doch der Wille des Kindes anfangs noch derart absolut und ungestüm, dass sich Eltern schnell hilflos fühlen und in Versuchung kommen, mit mehr oder weniger Gewalt zu reagieren. Dabei gäbe es ein ganz einfaches Wort, das immer wirkt: "Nein!", einmal laut und deutlich ausgesprochen und konsequent eingehalten. Sie müssen dann nur noch lernen, auf allfälliges Toben angemessen zu reagieren. Danach können Sie sich mit dem Kind wieder versöhnen und eine entsprechende Regel vereinbaren. Vereinbaren Sie mit dem Kind zum Beispiel, welche (harmlosen) Schalter es in der Küche bedienen darf, statt einfach alles zu verbieten. Damit übergeben Sie ihm Verantwortung und es wird sich Mühe geben, sich an die Vereinbarung zu halten. Wenn Sie hingegen einfach kategorisch alles verbieten, wird es sich erst recht herausgefordert fühlen und in einem günstigen Moment den erstbesten Schalter erobern, sodass Sie dann die Kontrolle über die Gefahr ganz verlieren. Oder anders gesagt: Sie würden genau das provozieren, was Sie eigentlich verhindern wollten!

Künstliche Gefahren, wie zum Beispiel der Strassenverkehr, können von Kindern mit ihren beschränkten kognitiven Fähigkeiten noch nicht richtig eingeschätzt werden, was Sie als Eltern natürlich beunruhigt. Sagen Sie dem Kind offen und ehrlich, dass Sie Angst haben. Das versteht jedes Kind, denn es kennt dieses Grundgefühl und weiss, dass Angst "vorsichtig sein" bedeutet. Ist es Ihnen bisher gelungen, das natürliches Vertrauen des Kindes zu erhalten, wird es sich auch dann an Ihren Rat halten, wenn es die Gefahr selbst gar nicht als solche erkennen kann. Vereinbaren Sie mit ihm zum Beispiel, dass es beim Warten am Fussgängerübergang vorschlagen darf, wann der Moment gekommen ist, die Strasse zu überqueren ("Wenn die Räder des Autos still stehen."). Selbstverständlich müssen Sie ihm die Regeln immer wieder genau erklären und bleiben Sie verantwortlich, dass es nicht einfach drauf losrennt (indem Sie es zum Beispiel an der Hand halten). Wichtig ist, dass Sie ihm so viel Verantwortung übergeben, wie es aufgrund seiner Entwicklung übernehmen kann. Gefährlich wäre es hingegen, wenn Sie ihm einfach verbieten würden, eine Strasse zu überqueren, denn irgendwann wird es Ihnen entwischen und Sie haben gar keine Kontrolle mehr. Führen Sie es hingegen sorgfältig an die Gefahr heran und loben es für seine zunehmende Kompetenz bei der Beurteilung der Gefahr, wird es sich umso mehr Mühe geben und Sie können sich früher oder später darauf verlassen, dass es die Strasse selbständig und trotzdem sicher überqueren kann.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Mit der Sozialisation sollte das Kind so reif sein, dass es in eigener Verantwortung mit Grenzen und Regeln umgehen kann. Für diese Reife sind Sie als Eltern verantwortlich: Sie müssen während den beiden vergangenen, alles entscheidenden Phasen der Erziehung gelernt haben, mit dem Kind Abmachungen beziehungsweise Vereinbarungen zu treffen, die es im Allgemeinen von sich aus einhalten kann. Denn spätestens mit dem Eintritt in die (Vor)Schule wird es sich mehr und mehr ausserhalb Ihres Einfluss- und Kontrollbereichs bewegen. Das heisst, Ihre Verbote würde es leicht umgehen können, sobald es das Haus verlässt. Schon allein deshalb ist es entscheidend, dass Sie zuvor gelernt haben, dem Kind zu vertrauen. So sollten Sie ihm schon früh genug erklärt haben, wie es zum Beispiel mit Zündhölzern und Kerzen umgehen soll, wobei es durchaus auch die Erfahrung machen muss, dass es sich dabei die Finger verbrennen kann (und gegebenenfalls immer und bedingungslos getröstet wird). Denn Feuer hat eine derart magische Anziehungskraft auf Kinder, dass ein Verbot, mit Feuer zu spielen, einzig bewirkt, nach einer günstigen Gelegenheit zu suchen, es heimlich zu tun. Haben Sie dem Kind hingegen gezeigt, wie es eine Kerze sicher anzünden kann, konnten Sie im gleichen Zug mit ihm auch ohne weiteres vereinbaren, dass es die Zündhölzer danach wieder verräumt und Sie jeweils fragt, ob es Feuer machen darf. Ein Verbot, mit Feuer zu spielen, ist dann nicht mehr nötig.

Ein weiteres Problem ist, dass Verbote nur dann überhaupt wirksam sein können, wenn sie mit Strafen verbunden sind, die zudem nicht bloss angedroht werden, sondern tatsächlich angewandt werden (womit interessanterweise gerade Eltern, die gerne verbieten, grösste Mühe haben!). Verbote können dort Sinn machen, wo das gegenseitige Vertrauen nicht schon von Natur aus gegeben ist. Denn je fremder und unbekannter sich Menschen sind oder je anonymer eine Umgebung ist, desto geringer ist das Vertrauen. Wenn sich die Schule zum Beispiel nicht darauf verlassen kann, dass alle Schüler beim Radfahren auf dem Pausenhof auf ihre Kameraden Rücksicht nehmen, ist ein allgemeines Fahrverbot durchaus angebracht (verbunden zum Beispiel mit der Strafe für Fehlbare, zwei Wochen lang nicht mehr mit dem Rad zur Schule kommen zu dürfen).

Wie wichtig es ist, dass Sie es während den vorigen Phasen geschafft haben, genügend Vertrauen zu erhalten, zeigt sich während der Pubertät, also dann, wenn Jugendliche zum Beispiel den Drang verspüren, selbständig in den Ausgang zu gehen. Denn mit Verboten können Sie nun fast gar nichts mehr bewirken, sind Ihre Kinder doch spätestens jetzt genügend schlau und kräftig, um sich ohne weiteres Ihren Verboten entziehen zu können, zumal sie sich durch Verbote womöglich noch angestachelt fühlen.

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Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

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