Widerstand des Kindes

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Wenn das Kind beginnt seinen eigenen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, wird es Ihnen vermehrt auch dann Widerstand leisten, wenn sich Ihre Absichten eigentlich mit seinen Bedürfnissen decken. Der Wille des Kindes ist, nebst seinem Selbstvertrauen, die weitaus wichtigste Kraft des Menschen. Allerdings ist dieser Wille anfangs noch roh und ungestüm, kennt also weder Kompromisse noch Relativierungen. Konfrontationen sind deshalb unvermeidlich und Sie müssen lernen, mit dem Widerstand des Kindes umzugehen, das heisst, dem Kind Grenzen zu setzen, aber auch dessen "Nein!" zu respektieren. Und schliesslich werden Sie lernen müssen, angemessen auf allfälliges Toben zu reagieren.

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Während der Phase der Vertrauensbildung hat das Kind erst einen Lebenswillen, der auf das bloss Überleben ausgerichtet ist, das heisst auf die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse. Widerstand wird es bloss dann leisten, wenn sein elementares Wohlbefinden gefährdet ist, wenn Sie es zum Beispiel zu mehr Essen und Trinken drängen wollen, als es braucht oder es schlafen legen wollen, obwohl es noch gar nicht bereit dazu ist. Solchem Widerstand sollten Sie deshalb, wenn immer möglich, nachgeben, es also in einem positiven Sinne verwöhnen.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, geht sein Wille plötzlich und häufig ganz unvermittelt weit über seine Grundbedürfnisse hinaus: Es entdeckt eine ungeheure Kraft, die es sprichwörtlich Berge zu versetzen weiss. Es vertraut zwar grundsätzlich immer noch voll und ganz seinen Eltern, doch verspürt es nun den starken Drang, diese Kraft auch scheinbar gegen jede Vernunft auszuleben. Wenn es Widerstand gegen Ihre Vorschläge oder Anliegen äusserst, geht es ihm womöglich nicht einmal um die Sache selbst, sondern gewissermassen ums Prinzip: "Ich will nicht - fertig!". Zunächst sollten Sie sich bewusst sein, dass das nicht nur eine völlig normale Entwicklung Ihres Kindes ist, sondern zudem auch noch eine äusserst wertvolle, gibt es doch für den Menschen, nebst einem gesunden Selbstvertrauen, keine so wichtige Kraft wie der Wille. Allerdings kann dieser Wille erst dann konstruktiv eingesetzt werden, wenn der Mensch mit genügend Respekt damit umgehen kann, wenn man also von einem freien Willen sprechen kann. Für die Grundlage dazu sind Sie als Eltern während dieser entscheidenden Phase der Willensbildung verantwortlich:

Das "Nein!" des Kindes

Zu Recht fordern Sie von Ihrem Kind, dass es Ihr "Nein!" respektiert. Umgekehrt müssen Sie aber auch sein "Nein!" respektieren. Sie dürfen es nicht einfach zu einer Handlung zwingen. Wohl können Sie es an einer Handlung hindern, indem Sie sich ihm zum Beispiel mit Ihrem Körper entgegenstellen, doch dürfen Sie es unter keinen Umständen zum Beispiel in den Kinderwagen heben (und womöglich noch festbinden), wenn es dazu "Nein!" sagt. Überlegen Sie sich zunächst, ob es wirklich nötig ist, dass es in den Kinderwagen muss. Wenn Sie danach zum Schluss kommen, dass dem so ist, lassen Sie es die Konsequenzen spüren, indem Sie zum Beispiel so lange warten, bis es nachgibt (eher selten!) oder zu toben beginnt. Sie können ihm natürlich auch sagen, dass es halt laufen müsse, doch geht es ihm möglicherweise eben gar nicht darum, eine Lösung zu finden, sondern schlicht darum, sich durchzusetzen.

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Tobsuchtsanfälle

Wenn ein Kind seinen frisch erwachten Willen entdeckt, wird es diesen auch bei Widerständen nicht einfach so leicht aufgeben, sondern darum kämpfen, dass es diesen auch durchsetzen kann. Dann bleibt Ihnen zumindest beim ersten Mal bloss die Konfrontation, das heisst, Sie müssen die Situation eskalieren lassen. Wenn Sie von Ihrer Haltung überzeugt sind, bleiben Sie dabei und geben Sie nicht nach. Mit grösster Wahrscheinlichkeit wird das Kind nun zu toben beginnen. Dann ist es entscheidend, dass Sie lernen, angemessen auf das Toben zu reagieren: Bleiben Sie ruhig beim Kind und warten Sie, bis es aufgehört hat. Schweigen Sie dabei, berühren Sie es nicht, aber denken Sie dafür daran, dass Ihr Kind Ihre Anwesenheit gerade in dieser schwierigen Situation besonders braucht. Wenn Sie sich von ihm entfernen würden, womöglich noch mit einer abschätzigen Bemerkung ("Ich komme dann wieder, wenn Du vernünftig bist."), würde es sich verlassen fühlen. Das Kind muss aber spüren, dass Sie auch dann noch zu ihm stehen, wenn es mit seinem Willen mit Ihnen zusammenstösst. Warten Sie also geduldig, bis es aufgehört hat zu toben. Erst dann ist eine Versöhnung möglich. Vielleicht braucht es danach noch eine Erklärung und Sie können mit ihm eine Regel vereinbaren, sodass es beim nächsten Mal weiss, wie es sich geschickter verhalten kann. Möglich ist aber auch, dass es tatsächlich nur um einen Machtkampf ging und gar nicht um die Frage, ob es dies oder jenes tun oder lassen sollte. Das Kind muss einfach die Erfahrung machen dürfen, dass solche Konflikte geschehen können und dürfen, ohne dass es deswegen von Ihnen abgelehnt, missachtet oder ausgelacht würde. Nicht entscheidend ist hingegen, wer sich bei einem solchen Konflikt durchgesetzt hat. Sie dürfen und sollen also durchaus auch einmal nachgeben, wenn Sie merken, dass Ihre Haltung nicht zwingend ist. Bloss aus Bequemlichkeit dürfen Sie nicht nachgeben.

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Herausforderungen

Das Kind muss also erfahren können, wie es mit seinem noch rohen und ungestümen Willen am besten umgehen kann. Der Wille ist wie ein neues Werkzeug, mit dem zwar sehr vieles erreichen kann, wenn man weiss wie, das aber auch sehr gefährlich werden kann, wenn es ungeschickt benutzt wird. Das Kind braucht deshalb Herausforderungen zum üben, sowohl körperliche als auch geistige. Lassen Sie es alles ausprobieren, wozu es Lust hat, auch wenn Sie der Meinung sind, es würde das noch gar nicht schaffen (jedenfalls, solange als nicht wirkliche Gefahren drohen). In diesem Alter meinen Kinder, sprichwörtlich Berge versetzen zu können und Allmachtsphantasien sind gang und gäbe: Kein Stein ist gross genug, um nicht gehoben zu werden und kein Baum ist hoch genug, um daran hochzuklettern. Je mehr das Kind seinen Willen an alltäglichen Herausforderungen messen kann, desto besser kann es mit Widerständen seiner Eltern in Form von Grenzen und Regeln umgehen. Lassen Sie es deshalb möglichst überall im Haushalt mithelfen, wo es Lust dazu hat. Ein gutes Übungsfeld sind auch Gesellschaftsspiele und später natürlich Sport: Hier kann der Wille trainiert werden, indem das Kind Regeln befolgen, Mitspieler respektieren und überhaupt geschickt agieren muss, um gewinnen zu können. Dazu gehört auch die Erfahrung von Misserfolgen, mit denen das Kind umso besser umgehen kann, je mehr es sich mit seinem ganzen Willen für den Erfolg einsetzen durfte.

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

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