Schummeln und Lügen des Kindes

Aus 2 x 2 der Erziehung
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Kinder sind von Natur aus offen und ehrlich. Schummeln und Lügen erfordern ein Mindestmass an kognitiven Fähigkeiten, die sie erst mit zunehmender Reife entwickeln und wofür sie zudem entsprechende Vorbilder brauchen.

Offenheit und Ehrlichkeit

Kinder sind von Natur aus offen und ehrlich. Es liegt an Ihnen, sich gegenüber dem Kind ebenso offen und ehrlich zu verhalten, denn es nimmt sie so oder so zum Vorbild. Zudem werden Sie lernen müssen, dem Kind nicht nur zu vertrauen, sondern ihm auch angemessen Grenzen zu setzen:

Phase der Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Während der Phase der Vertrauensbildung fehlen Kindern noch die kognitiven Fähigkeiten, um zwischen Wirklichkeit und Phantassie unterscheiden zu können. Zudem hätten sie auch gar keinen Grund, die Realität zurechtzubiegen, vertrauen sie doch ganz einfach darauf, dass alles gut ist, so wie es ist und wie sie selbst sind.

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Phase der Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Erst wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, kommt es auf die Idee, weit mehr als die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse anzustreben. Dank seinen zunehmenden körperlichen und geistigen Geschicklichkeit erfährt es, was es alles erreichen kann, wenn es bloss will. Und dazu gehört dann eben auch der Versuch, Phantasie und Realität zusammenzubekommen. Es wird dann zum Beispiel behaupten, dass es einen Turm bauen würde, der bis in den Himmel reicht. Der Wille kann also die Realität weit übertreffen. Das ist vergleichbar mit Sportmannschaften, von denen mindestens die Hälfte den Gewinn des Turniers zum Ziel hat: Das mag zwar für die meisten zu ambitioniert sein, doch gelogen ist es selbstverständlich nicht, vielmehr ermöglicht es diese Haltung, über die eigenen Grenzen hinauszuwachsen. Wenn es Kinder mit der - wie auch immer definierten - Wahrheit also nicht so genau nehmen, kann das zunächst ganz einfach damit zu tun haben, dass sie durchaus legitime Ziele erreichen wollen. Dazu brauchen sie nicht bloss einen starken Willen, sondern müssen diesen auch noch mit genügend Geschick einsetzen können. Im Fussball könnte das bedeuten, dass ein Feldspieler dem Torhüter vortäuscht in die linke Ecke zu schiessen, tatsächlich aber in die rechte schiesst. Für Kinder ist nicht unbedingt klar, ob solches Verhalten noch erlaubt oder schon verpönt ist. Schon allein deshalb sollten Sie sich zurückhalten, wenn Sie Lügen vermuten.

Auch Eltern schwindeln im übrigen gerne ein wenig, wenn es zum Beispiel darum geht, ihr Kinder zu einem bestimmten Verhalten zu motivieren. So schmeckt der Brei, den das Kind essen soll, seinen Eltern kaum je so gut, wie sie ihm vorgeben. Solche Schwindeleien mögen in bester Absicht geschehen, heikel sind sie trotzdem. Denn Kinder haben von Natur aus ein feines Gespür dafür, ob eine Aussage stimmig ist, sodass schnell Doppelbotschaften drohen. Zudem nehmen sie ihre Eltern zum Vorbild und "lernen" gerade auch durch Nachahmung.

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Um seine Ziele zu erreichen, braucht der Mensch also durchaus die Fähigkeit, Phantasie und Realität bis zu einem gewissen Grade einander näherzubringen. So "verkaufen" die meisten Stellenbewerber bei einem Vorstellungsgespräch ihre Fähigkeiten gerne zu einem höheren Preis. Das ist so lange unproblematisch, als sie gerade dadurch motiviert sind, bei einer Anstellung entsprechend mehr zu leisten. Die Grenze ist dort, wo sich das Gegenüber getäuscht fühlt und damit das Vertrauen verliert. Das sollten Sie auch als Eltern bedenken, wenn es um das Thema Lügen geht:

Wenn Sie spüren, dass Ihr Kind lügt, dürfen und sollen Sie es mit Ihrem Verdacht konfrontieren. Gehen Sie dabei aber behutsam vor, denn es geht immer um das Vertrauen, also um das höchste Gut in einer Beziehung! Bedenken Sie zunächst, dass Sie sich einerseits täuschen können, während das Kind andererseits die Realität vielleicht im guten Glauben anders sehen kann, als sie tatsächlich ist. Gehen Sie das Problem deshalb gemeinsam an, indem Sie sich mit Ihrem Kind verbünden und den "Fall" zusammen zu lösen versuchen. Am einfachsten geht das, wenn Sie dem Kind Fragen stellen. Anfangs probieren Kinder auch schlicht aus, ob sie ihr Ziel besser erreichen können, wenn sie sich geschickt ausdrücken, zum Beispiel so, wie es meint, dass es die Eltern von ihm erwarten. Betrachten Sie solches Verhalten zwar als raffiniert, aber eben nicht ganz zulässig. Erklären Sie ihm diesen Unterschied und danken Sie daran, dass der Grat sehr schmal sein kann.

Von solchem an sich harmlosen Schwindeln ist die eigentliche Lügerei zu unterscheiden, wenn Sie also feststellen, dass das Kind gezielt und systematisch lügt. Das Kind wird sich dabei weder wohlfühlen, noch von anderen Kindern als Kamerad akzeptiert, es beginnt ganz offensichtlich zu leiden. Dann ist es höchste Zeit, dass Sie nach möglichen Gründen suchen. Denn Kinder kommen nicht als Lügner zur Welt, sie lügen, weil sich vor der Wahrheit fürchten. Der häufigste Grund ist die Angst vor Strafe. Strafen können sich in der Erziehung höchst kontraproduktiv auswirken und sind vor allem auch gar nicht nötig! Eltern kommen immer dann in Versuchung mit Strafen zu reagieren, wenn sie nicht gelernt haben, dem Kind angemessen Grenzen zu setzen. Auch mangelnde Beachtung oder Bestätigung kann dazu führen, dass sich Kinder mittels Lügen schöner, stärker oder intelligenter geben wollen, als sie sind. Die Verantwortung für eigentliche Lügereien liegt also nicht etwa beim Kind, sondern in der Erziehung der Eltern. Sie sollten sich deshalb vor allem Gedanken zu den Grundbedürfnissen des Kindes machen.

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Kontraproduktive Reaktionen

Eltern geraten häufig in Panik, wenn sie feststellen, dass ihr Kind lügt. Sie reagieren dann mit einer Art Verhör, mit Tadel, Drohungen oder gar Strafen. Solche Reaktionen sind höchst kontraproduktiv, da das Vertrauen noch mehr gestört wird und das Kind erst recht in Versuchung kommt zu lügen, da es sich vor den Folgen der Wahrheit fürchtet.

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