Überforderung des Kindes: Unterschied zwischen den Versionen

Aus 2 x 2 der Erziehung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
(75 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
<metadesc>Kinder werden durch ihre Eltern vor allem in Unkenntnis ihrer Entwicklung überfordert.</metadesc>
{{Definition}}
{{Definition}}
Überforderung ist natürlich ein allgemeines Problem für Menschen. Das Spezielle bei Kindern ist, dass sie von Natur aus ihren Eltern vollkommen [[Vertrauen des Kindes|vertrauen]] und deshalb zunächst einmal davon ausgehen, dass die Eltern ihnen immer genau das bieten, was sie gerade brauchen.


Überforderung ist natürlich ein allgemeines Problem für Menschen. Das spezielle Problem bei Kindern ist aber, dass sie von Natur aus ihren Eltern vollkommen vertrauen und sich schon deshalb kaum dagegen wehren können. Ein Kind ist überfordert, wenn von ihm etwas verlangt wird, was nicht oder noch nicht seinen [[Fähigkeiten]] beziehungsweise seiner [[reif|Reife]] entspricht. Kinder können auf unterschiedlichste Arten überfordert werden, so insbesondere durch {{Abc}}
Gegen Überforderung kann sich das Kind in der Phase der [[Vertrauensbildung]] kaum wehren. Erst mit der [[Willensbildung]] ab etwa dem dritten Lebensjahr hat das Kind eine, wenn auch immer noch beschränkte, Möglichkeit sich zur Wehr zu setzen (in dieser Phase wird sinnigerweise die [[Unterforderung]] in der Regel das grössere Problem).


In der [[westliche Zivilisation|westlichen Zivilisation]] dürfte die körperliche Überforderung (insbesondere Kinderarbeit) zwar nur noch selten vorkommen. Doch die, meist viel subtileren, Formen von psychischer Überforderung sind für das Wohl des Kindes keineswegs weniger heikel.
{{top}}
==Formen der Überforderung==
Ein Kind ist zum einen überfordert, wenn von ihm etwas verlangt oder erwartet wird, das nicht oder noch nicht seiner [[reif|Reife]] entspricht, so zum Beispiel {{Abc}}
* [[Abstraktionen]]
* [[Anstandsregeln]]
* [[Auswahlsendung|"Auswahlsendungen"]]
* [[Differenzieren]]
* [[Doppelbotschaften]]
* [[Doppelbotschaften]]
* [[Drängelnde Eltern|Drängen]]
* [[Drängelnde Eltern|Drängen]]
* [[Drohen]]
* [[Drohen]]
* [[Ehrgeiz der Eltern]]
* [[Ehrgeiz der Eltern]]
* [[Grenzen|Mangelnde Grenzen]]
* [[Konsequent|Inkonsequenzen]]
* [[Ironie]]
* [[Ironie]]
* [[Jein|"Jein"]]
* [[Jein|"Jein"]]
* [[Manipulierende Eltern|Manipulieren]]
* [[Maschinen]]
* [[Maschinen]]
* [[Metaebene]]
* [[Metaebene]]
Zeile 16: Zeile 29:
* [[Psychologisieren]]
* [[Psychologisieren]]
* [[Rationalisieren]]
* [[Rationalisieren]]
* [[Relativieren]]
* [[Reizüberflutung]]
* [[Reizüberflutung]]
* [[Ruhig|Ruhig bleiben]]
* [[Selbstreflexion]]
* [[Stillhalten]]
* [[Strassenverkehr]]
* [[Strassenverkehr]]
* [[Überfluss]]
* [[Überfluss]]
* [[Gefühle|Unterdrückung von Emotionen]]
* [[Emotionen|Unterdrückung von Emotionen]]
* [[Bewegungsdrang|Unterdrückung des Bewegungsdrangs]]
* [[Unterhaltungselektronik]]
* [[Unterhaltungselektronik]]
* [[Erklären|Unverständliche Erklärungen]]
* [[Verantwortung des Kindes#Verantwortung_für_die_Eltern|Verantwortung für die Eltern]]
* [[Wegschicken]] oder [[Wegsperren]]


In der [[westliche Zivilisation|westlichen Zivilisation]] dürfte die körperliche Überforderung (insbesondere Kinderarbeit) zwar nur noch selten vorkommen. Doch die, meistens viel subtileren, Formen von psychischer Überforderung sind für das Wohl des Kindes keineswegs weniger heikel.
Ein Kind kann aber auch überfordert werden, wenn ihm etwas nicht gegeben wird, das es zu seiner Entwicklung '''benötigt''', so zum Beispiel {{abc}}
* [[Erklären|Erklärungen]]
* [[Trost]]
* [[Versöhnung zwischen Eltern und Kind|Versöhnung]]
* [[Geduld der Eltern]]
* [[Grenzen]] (mangelnde, seltener übermässige)
* [[Rhythmus]] und [[Struktur]]


{{top}}
{{top}}


==Überforderung und Herausforderung==
==Folgen von Überforderung==
 
{{2a}}
Kinder haben grösste Freude an ihrer Leistungsfähigkeit. Sie leben deshalb alle Fähigkeiten, die sie gerade frisch erworben haben, immer sofort und in vollen Zügen aus. So wir das Kind, das zum Beispiel gerade gelernt hat, Fahrrad zu fahren, womöglich so lange herumfahren, bis es vor Erschöpfung beinahe umfällt. Lassen Sie es [[selbst tun|selbst]] [[entscheiden]], wann es genug hat! Denn nur das Kind weiss, wann der Zeitpunkt gekommen ist, um aufzuhören. Selbst wenn es einmal tatsächlich zu spät ist (und Tränen die Folge sind), ist es immer noch wichtiger, dass das Kind diesen Zeitpunkt selbst erfahren hat und daraus entsprechend lernen kann (nachdem es von Ihnen "trotzdem" [[Trost|getröstet]] wurde!).
Wenn Sie Ihr Kind überfordern, wird es sich zunächst [[Verunsichern|verunsichert]] und irgendwann auch [[Ablehnen|abgelehnt]] fühlen, da es nicht so [[Annehmen|angenommen]] wird, wie es ist, sondern so, wie seine Eltern meinen, dass es sein sollte. Kinder sind aber von Naur aus in diesem Alter noch schlicht und einfach mit sich zufrieden (als Eltern könnten Sie einiges für Ihre eigene Zufriedenheit lernen)! Ein Kind, das sich von seinen Eltern nicht [[Annehmen|angenommen]] fühlt, verliert sehr schnell das Vertrauen in diese und kann somit auch [[Selbstvertrauen|nur wenig Selbstvertrauen]] aufbauen.
 
Schützen Sie Ihr Kind also nicht etwa vor seinem eigenen Übermut, indem Sie seinen [[Bewegungsdrang|Bewegungsdrang einzuschränken]] versuchen. Denn das wäre höchst [[kontraproduktiv]]: Das Kind wird seinen Bewegungsmangel so schnell als möglich kompensieren wollen und die nächste, erstbeste Gelegenheit packen. Da es nun aber die Erfahrung gemacht hat, dass es womöglich wieder daran gehindert wird, wird es entweder mit noch mehr Einsatz zur Tat schreiten oder mit einem Schlich versuchen, in einem günstigen Moment der Aufmerksamkeit der Eltern entwischen zu können. Beides ist eine [[Überreagieren|Überreaktion]] und kann sehr schnell sehr gefährlich werden (gerade im Beispiel des Fahrradfahrens)!


Kinder suchen also die Herausforderung. Und als Eltern dürfen Sie Ihr Kind durchaus zu neuen Taten anspornen. Jedenfalls solange Sie die [[Grenzen des Kindes]] respektieren, das heisst zum Beispiel das Kind [[Ernst nehmen|erst nehmen]], wenn es Angst zeigt oder nicht mehr mag.
{{4a}}
Mit der [[Willensbildung]] stellt sich den Eltern die zusätzliche Aufgabe, dem Kind auch [[Grenzen]] zu setzen. Das ist zunächst für beide regelmässig eine ziemliche Herausforderung, sodass Sie genau hinschauen müssen, um was es geht: Das Kind mit seinem frisch erwachten Willen kann bei den ersten [[Nein der Eltern|"Neins!"]] der Eltern durchaus stark gefordert sein. Dem müssen Sie standhalten können, ohne gleich Angst zu haben, dass Sie das Kind auf (ungesunde Art) überfordern würden. Denn mangelnde Grenzen sind sehr viel heikler als gelegentlich zu harte: Wenn dem Kind zum Beispiel nicht gelehrt wurde, dass es beim Rotlicht warten muss, wird das sehr schnell sehr gefährlich (mit der Einschätzung des Strassenverkehrs ist es definitiv überfordert).


{{top}}
{{top}}


==Mögliche Folgen==
==Herausforderungen==
Wenn Sie von einem mehr fordern, als es kann, wird es sich nicht mehr [[Annehmen|angenommen]] fühlen, so wie es ist. Denn für ein Kind gibt es weder viele noch wenige Fähigkeiten, sondern ganz einfach so viel, wie es gerade hat beziehungsweise schon entwickelt hat. Kinder haben noch die wunderbare Eigenschaft, mit sich so zufrieden zu sein, wie sie gerade sind! Da könnten Sie als Eltern einiges für ihr eigenes Glück lernen.
Kinder suchen durchaus [[Herausforderungen]] - aber von sich aus. Und [[Unterforderung]] ist genauso heikel wie Überforderung. Es geht denn auch weniger darum, dass Sie sich dauernd fragen, was Sie dem Kind [[zumuten]] können oder nicht, sondern schlicht darum, dass Sie das Kind wann immer möglich [[selbst tun|selbst]] [[entscheiden]] lassen, was es sich zumutet! [[Vertrauen der Eltern|Vertrauen]] Sie dem Kind, dass es ein [[Gespür des Kindes|Gespür]] dafür hat, ob es zum Beispiel noch länger auf dem Trampolin herumhüpfen kann - und nehmen Sie in Kauf, dass es das eine oder andere Mal Tränen gibt, weil es ich übernommen hat. Das einzige, was es dann braucht, ist Ihr [[Trost]], also weder Belehrungen noch ähnliches.


Ein Kind, das sich von seinen Eltern nicht angenommen fühlt, verliert sehr schnell das Vertrauen in diese und kann somit auch [[Selbstvertrauen|nur wenig Selbstvertrauen]] aufbauen. Aber Vorsicht vor einem Wechsel ins andere Extrem: [[Unterforderung]] hat genau die gleichen Folgen für die Entwicklung des Kindes. Es geht also nicht etwa darum, sich dauernd zu fragen, was Sie dem Kind zumuten können oder nicht, sondern Sie sollten schlicht das Kind [[selbst tun|selbst]] [[entscheiden]] lassen, was es sich zumutet!
Einzig wenn es um [[Grenzen der Eltern|Ihre eigenen Grenzen]] geht, müssen Sie zwingend aktiv werden. Denn diese können Kinder (noch) nicht einfach so von sich aus erkennen! Wenn Sie also zum Beispiel erwarten, dass das Kind von sich aus merken würde, dass es zu viel Lärm macht beim Trampolin springen (also eine Grenze überschreitet), wäre es damit schlicht überfordert. Es liegt an Ihnen, dem Kind zu sagen, dass es ruhiger sein soll. Erst wenn Sie mit Ihrer Erziehungsarbeit so weit sind, dass Sie dem Kind gelehrt haben, Grenzen Dritter zu [[Respekt des Kindes|respektieren]], ist es genügend reif. Ein [[Reif|reifes]] Kind merkt dann je länger desto eher von sich aus, wann es zu weit geht und es genügt zum Beispiel schon ein entsprechender Blick oder ein Fingerzeig um es zu "bremsen". In den [[Phasen der Erziehung|ersten vier Jahren]] sind aber einzig die Eltern gefordert!
 
{{top}}
 
==Fordern als Seiltanz==


{{top}}
{{top}}
Zeile 50: Zeile 70:
{{Themen}}
{{Themen}}
* [[Unterforderung]]
* [[Unterforderung]]
* [[Herausforderungen]]
* [[Fähigkeiten]]
* [[Fähigkeiten]]
* [[Selbst tun]]
* [[Selbst tun]]
Zeile 55: Zeile 76:
* [[Fördern]]
* [[Fördern]]
* [[Fordern]]
* [[Fordern]]
* [[Zumuten]]


{{top}}
{{top}}


{{VertrauenGrenzen}}
{{VertrauenGrenzen}}
{{top}}

Aktuelle Version vom 5. Juni 2021, 18:05 Uhr


Überforderung ist natürlich ein allgemeines Problem für Menschen. Das Spezielle bei Kindern ist, dass sie von Natur aus ihren Eltern vollkommen vertrauen und deshalb zunächst einmal davon ausgehen, dass die Eltern ihnen immer genau das bieten, was sie gerade brauchen.

Gegen Überforderung kann sich das Kind in der Phase der Vertrauensbildung kaum wehren. Erst mit der Willensbildung ab etwa dem dritten Lebensjahr hat das Kind eine, wenn auch immer noch beschränkte, Möglichkeit sich zur Wehr zu setzen (in dieser Phase wird sinnigerweise die Unterforderung in der Regel das grössere Problem).

In der westlichen Zivilisation dürfte die körperliche Überforderung (insbesondere Kinderarbeit) zwar nur noch selten vorkommen. Doch die, meist viel subtileren, Formen von psychischer Überforderung sind für das Wohl des Kindes keineswegs weniger heikel.

^ nach oben

Formen der Überforderung

Ein Kind ist zum einen überfordert, wenn von ihm etwas verlangt oder erwartet wird, das nicht oder noch nicht seiner Reife entspricht, so zum Beispiel (in alphabetischer Reihenfolge):

Ein Kind kann aber auch überfordert werden, wenn ihm etwas nicht gegeben wird, das es zu seiner Entwicklung benötigt, so zum Beispiel (in alphabetischer Reihenfolge):

^ nach oben

Folgen von Überforderung

Phase der Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Wenn Sie Ihr Kind überfordern, wird es sich zunächst verunsichert und irgendwann auch abgelehnt fühlen, da es nicht so angenommen wird, wie es ist, sondern so, wie seine Eltern meinen, dass es sein sollte. Kinder sind aber von Naur aus in diesem Alter noch schlicht und einfach mit sich zufrieden (als Eltern könnten Sie einiges für Ihre eigene Zufriedenheit lernen)! Ein Kind, das sich von seinen Eltern nicht angenommen fühlt, verliert sehr schnell das Vertrauen in diese und kann somit auch nur wenig Selbstvertrauen aufbauen.

Phase der Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Mit der Willensbildung stellt sich den Eltern die zusätzliche Aufgabe, dem Kind auch Grenzen zu setzen. Das ist zunächst für beide regelmässig eine ziemliche Herausforderung, sodass Sie genau hinschauen müssen, um was es geht: Das Kind mit seinem frisch erwachten Willen kann bei den ersten "Neins!" der Eltern durchaus stark gefordert sein. Dem müssen Sie standhalten können, ohne gleich Angst zu haben, dass Sie das Kind auf (ungesunde Art) überfordern würden. Denn mangelnde Grenzen sind sehr viel heikler als gelegentlich zu harte: Wenn dem Kind zum Beispiel nicht gelehrt wurde, dass es beim Rotlicht warten muss, wird das sehr schnell sehr gefährlich (mit der Einschätzung des Strassenverkehrs ist es definitiv überfordert).

^ nach oben

Herausforderungen

Kinder suchen durchaus Herausforderungen - aber von sich aus. Und Unterforderung ist genauso heikel wie Überforderung. Es geht denn auch weniger darum, dass Sie sich dauernd fragen, was Sie dem Kind zumuten können oder nicht, sondern schlicht darum, dass Sie das Kind wann immer möglich selbst entscheiden lassen, was es sich zumutet! Vertrauen Sie dem Kind, dass es ein Gespür dafür hat, ob es zum Beispiel noch länger auf dem Trampolin herumhüpfen kann - und nehmen Sie in Kauf, dass es das eine oder andere Mal Tränen gibt, weil es ich übernommen hat. Das einzige, was es dann braucht, ist Ihr Trost, also weder Belehrungen noch ähnliches.

Einzig wenn es um Ihre eigenen Grenzen geht, müssen Sie zwingend aktiv werden. Denn diese können Kinder (noch) nicht einfach so von sich aus erkennen! Wenn Sie also zum Beispiel erwarten, dass das Kind von sich aus merken würde, dass es zu viel Lärm macht beim Trampolin springen (also eine Grenze überschreitet), wäre es damit schlicht überfordert. Es liegt an Ihnen, dem Kind zu sagen, dass es ruhiger sein soll. Erst wenn Sie mit Ihrer Erziehungsarbeit so weit sind, dass Sie dem Kind gelehrt haben, Grenzen Dritter zu respektieren, ist es genügend reif. Ein reifes Kind merkt dann je länger desto eher von sich aus, wann es zu weit geht und es genügt zum Beispiel schon ein entsprechender Blick oder ein Fingerzeig um es zu "bremsen". In den ersten vier Jahren sind aber einzig die Eltern gefordert!

^ nach oben

Weiterführende Themen

^ nach oben

Übergeordnetes Thema

^ nach oben

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email


^ nach oben