Ersatzgefühle: Unterschied zwischen den Versionen

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==Ursachen==
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Ersatzgefühle entstehen immer dann, wenn die [[Grundgefühle|Gefühle]] des Kindes in irgendeiner Form missachtet werden. Das geschieht leider gerade in der [[Westliche Zivilisation|westlichen Zivilisation]] sehr schnell, da dem [[Verstand]] meistens einen ungleich höheren Stellenwert als dem [[Gespür]], also dem eher gefühlsmässigen Erkennen und Verstehen, zugemessen wird. Da viele Eltern schon Mühe haben, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen oder es ihnen am Wissen um die Zusammenhänge zwischen Gefühlen und Emotionen fehlt, ist die Gefahr gross, dass sie auf für die Gefühle des Kindes zu wenig [[Aufmerksamkeit der Eltern|aufmerksam]] sind.  
Ersatzgefühle entstehen immer dann, wenn die [[Grundgefühle|Gefühle]] des Kindes in irgendeiner Form missachtet werden. Das geschieht leider gerade in der [[Westliche Zivilisation|westlichen Zivilisation]] sehr schnell, da dem [[Verstand]] meistens einen ungleich höheren Stellenwert als dem [[Gespür]], also dem eher gefühlsmässigen Erkennen und Verstehen, zugemessen wird. Da viele Eltern schon Mühe haben, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen oder es ihnen am Wissen um die Zusammenhänge zwischen Gefühlen und Emotionen fehlt, ist die Gefahr gross, dass sie auch für die Gefühle des Kindes zu wenig [[Aufmerksamkeit der Eltern|aufmerksam]] sind.  
===Nichtbeachtung von Gefühlen===
===Nichtbeachtung von Gefühlen===
Gefühle von Kindern werden vor allem deshalb häufig nicht beachtet, weil die Eltern meinen, ihr Kind sowieso bestens zu verstehen. Das ist aber eines der grössten [[Missverständnisse]] in der Erziehung. Denn der Mensch kann ausschliesslich die eigenen Gefühle wahrnehmen, die seines Gegenübers kann er bestenfalls erahnen, selbst wenn es sein eigenes Kind ist! Sie müssen deshalb Ihr Kind immer wieder [[Fragen der Eltern|fragen]], was es fühlt ("Bist Du traurig?", "Bist Du wütend?") und sich vergewissern, um was es wirklich geht. Denn Sie sehen immer nur die [[Emotionen]] (wie zum Beispiel Tränen oder einen erröteten Kopf), also den körperlichen Ausdruck von Gefühlen,  nicht aber die dahinter stehenden Gefühle (wie zum Beispiel Trauer oder Wut), zumal die Emotionen auch noch andere Ursachen haben können (wie zum Beispiel kalter Wind oder zu viel Sonne). Die Gefühle kann nur das Kind selbst wahrnehmen!
Gefühle von Kindern werden vor allem deshalb häufig nicht beachtet, weil die Eltern meinen, ihr Kind sowieso bestens zu verstehen. Das ist aber eines der grössten [[Missverständnisse]] in der Erziehung. Denn der Mensch kann ausschliesslich die eigenen Gefühle wahrnehmen, die seines Gegenübers kann er bestenfalls erahnen, selbst wenn es sein eigenes Kind ist! Sie müssen deshalb Ihr Kind immer wieder [[Fragen der Eltern|fragen]], was es fühlt ("Bist Du traurig?", "Bist Du wütend?") und sich vergewissern, um was es wirklich geht. Denn Sie sehen immer nur die [[Emotionen]] (wie zum Beispiel Tränen oder einen erröteten Kopf), also den körperlichen Ausdruck von Gefühlen,  nicht aber die dahinter stehenden Gefühle (wie zum Beispiel Trauer oder Wut), zumal die Emotionen auch noch andere Ursachen haben können (wie zum Beispiel kalter Wind oder zu viel Sonne). Die Gefühle kann nur das Kind selbst wahrnehmen!

Version vom 8. Mai 2020, 10:18 Uhr



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Ersatzgefühle sind, im Gegensatz zur den vier Grundgefühlen (Freude, Wut, Angst und Trauer), unreine Gefühle, weil sie gebunden sind an belastende Erfahrungen oder mit zweifelhaften Absichten vermischt wurden. Das Problem von Ersatzgefühlen ist, dass das dahinterliegende, eigentliche Gefühl nicht mehr oder nur sehr beschränkt wahrgenommen wird. Das kann einerseits für den Menschen selbst belastend sein und andererseits in zwischenmenschlichen Beziehungen oft zu Missverständnissen und Konflikten führen. Kinder haben von Natur aus ausschliesslich Grundgefühle, also reine, ursprüngliche Gefühle. Ersatzgefühle bilden sich erst im Laufe der Erziehung und der Sozialisation.

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Ursachen

Ersatzgefühle entstehen immer dann, wenn die Gefühle des Kindes in irgendeiner Form missachtet werden. Das geschieht leider gerade in der westlichen Zivilisation sehr schnell, da dem Verstand meistens einen ungleich höheren Stellenwert als dem Gespür, also dem eher gefühlsmässigen Erkennen und Verstehen, zugemessen wird. Da viele Eltern schon Mühe haben, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen oder es ihnen am Wissen um die Zusammenhänge zwischen Gefühlen und Emotionen fehlt, ist die Gefahr gross, dass sie auch für die Gefühle des Kindes zu wenig aufmerksam sind.

Nichtbeachtung von Gefühlen

Gefühle von Kindern werden vor allem deshalb häufig nicht beachtet, weil die Eltern meinen, ihr Kind sowieso bestens zu verstehen. Das ist aber eines der grössten Missverständnisse in der Erziehung. Denn der Mensch kann ausschliesslich die eigenen Gefühle wahrnehmen, die seines Gegenübers kann er bestenfalls erahnen, selbst wenn es sein eigenes Kind ist! Sie müssen deshalb Ihr Kind immer wieder fragen, was es fühlt ("Bist Du traurig?", "Bist Du wütend?") und sich vergewissern, um was es wirklich geht. Denn Sie sehen immer nur die Emotionen (wie zum Beispiel Tränen oder einen erröteten Kopf), also den körperlichen Ausdruck von Gefühlen, nicht aber die dahinter stehenden Gefühle (wie zum Beispiel Trauer oder Wut), zumal die Emotionen auch noch andere Ursachen haben können (wie zum Beispiel kalter Wind oder zu viel Sonne). Die Gefühle kann nur das Kind selbst wahrnehmen!

Besonders problematisch wird es, wenn Eltern ihren Kindern empfehlen oder gar befehlen, ihre Gefühle beziehungsweise Emotionen einfach auszuschalten ("Du musst nicht Angst haben!", "Hör endlich auf zu weinen!"). Das Kind kann höchstens seine Emotionen unterdrücken, nicht aber seine Gefühle. Ein Gefühl ist da oder nicht da. Eltern können ihre Kinder vielleicht von deren Gefühlen ablenken, sie verschwinden deswegen aber nicht, ganz im Gegenteil: Nicht wahrgenommene Gefühle beginnen eben eine Art Eigenleben in Form von Ersatzgefühlen zu führen, von denen sich dann der Mensch häufig geradezu beherrscht und getrieben sieht. Oder anders ausgedrückt: Es geht nicht darum, seine Gefühle zu beherrschen, sondern diese wahrzunehmen, ansonsten diese zu Ersatzgefühlen ausarten, von denen Sie sich dann tatsächlich beherrscht fühlen.

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Nicht ernst genommene Gefühle

Gefühle sind für den Menschen enorm wichtig, genauso wie sein Verstand. Sie helfen ihm Situationen einzuschätzen und Entscheidungen zu treffen. Gefühle sind also immer hilfreich, es gibt weder positive noch negative Gefühle. Während zum Beispiel Freude Ihnen anzeigen kann, dass es Ihr Gegenüber gut mit Ihnen meint, mahnt Sie Angst zur Vorsicht. Und während Wut bedeuten kann, dass es wichtig ist, sich für etwas einzusetzen, hilft Ihnen Trauer, um über einen Verlust hinwegzukommen. Selbstverständlich sollen Sie nebst Ihrem Gespür, also dem gefühlsmässigen Verstehen, auch immer und gleichzeitig Ihren Verstand einsetzen. Die Erfahrung der meisten Menschen zeigt aber, dass es Im Zweifel letztlich fast immer besser ist, gefühlsmässig zu entscheiden.

Es ist für die gesunde Entwicklung des Kindes deshalb entscheidend, dass Sie seine Gefühle ernst nehmen, das Kind also zum Beispiel weder auslachen, weil es Angst hat noch spotten, weil es sich über etwas freut, das Ihnen nichtig erscheint. Denn das Kind vertraut Ihnen. Wenn Ihre Reaktion nicht mit seinem Gefühl übereinstimmt, beginnt es zu zweifeln und weiss nicht mehr, auf was es sich nun verlassen soll. Das mindert sein von Natur aus vorhandenes Gespür und schliesslich auch sein Selbstvertrauen.

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Verwechslung von Gefühlen mit Emotionen

Wenn Sie also das Kind nicht nach seinen Gefühlen fragen, ist die Gefahr gross, dass Sie sich irren und entsprechend falsch reagieren. Wenn das Kind zum Beispiel wütend ist und das mit Stampfen äussert, während Sie meinen, es wolle Sie bloss ärgern, wird sich das Kind zunächst einmal unverstanden fühlen. Wenn Sie sich dann auch noch von ihm entfernen, wird ihm die nötige Beachtung fehlen und es wird im besseren Fall mit Tobsucht reagieren, um sich doch noch bemerkbar zu machen, im schlechteren Fall aber schlicht resignieren.

Eines der grössten Probleme im Zusammenhang mit Gefühlen ist, wenn diese mit Emotionen verwechselt werden oder der Unterschied schon gar kein Unterschied gemacht wird. Dabei ist ziemlich einfach: Was Sie bei einem anderen Menschen sehen, sind seine Emotionen, währende die Gefühle nur den Mensch selbst wahren kann. Zudem gibt es bloss vier Grundgefühle, also reine Gefühle: Freude, Wut, Angst und Trauer.

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Vermischung von eigenen mit fremden Gefühlen

Problematisch ist schliesslich auch, wenn Eltern ihre eigenen Gefühle nicht von denen ihrer Kinder unterscheiden. Das zeigt sich insbesondere beim Mitleid: Wenn das Kind Schmerzen hat, beginnen Eltern häufig im gleichen Masse mitzuleiden. Das ist zwar aufgrund der engen Bindung verständlich, doch sollten Sie sich auch im Klaren sein, dass damit dem Kind überhaupt geholfen ist. Denn wenn es leidet, braucht es starke Eltern, die ihm helfen können, und nicht solche, die vor lauter eigenem Leiden womöglich auch noch handlungsunfähig werden. Was Ihrem Kind hingegen hilft, ist Mitgefühl, das heisst, währenddem Sie das Kind in seinem Leid annehmen, nehmen Sie gleichzeitig Ihr eigenes (!) Gefühl wahr.

Auch der umgekehrte Fall ist heikel: wenn Eltern ihre eigenen Gefühle zu wenig wahrnehmen, projizieren sie diese gerne auf andere, auch auf ihre eigenen Kinder. Häufig geschieht das, wenn Eltern Angst haben, weil sie ihr Kind in einer - auch bloss vermeintlich - gefährlichen Situation sehen, während sich das Kind zum Beispiel auf dem Baum überhaupt nicht fürchtet. Das Problem dabei ist, dass Kinder, vor allem Kleinkinder, ihren Eltern noch vollkommen vertrauen und deshalb sehr schnell ebenso panisch wir ihre Eltern reagieren können, obwohl sie sich eigentlich zuvor völlig sicher fühlten und, ganz abgesehen davon, auch gar keine wirkliche Gefahr bestand. Selbstverständlich heisst das nicht, dass Sie keine Angst haben sollen, ganz im Gegenteil: Wenn Sie Angst haben, bedeutet das, dass Sie aufpassen sollen. Und wenn Sie dann zum Schluss kommen, dass Ihnen die Kletterei auf dem Baum zu gefährlich erscheint, dürfen, ja müssen Sie das dem Kind sagen. Sagen Sie ihm aber, dass Sie (!) Angst haben und dass es deshalb wieder runterkommen soll.

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Beispiele

Hinter Ersatzgefühlen verbirgt sich immer ein reines Gefühl, also eines der vier Grundgefühle (Freude, Wut, Angst oder Trauer). Die in der folgenden Übersicht genannten Zuordnungen sind beispielhaft zu verstehen, das heisst, es müsste im Einzelfall untersucht werden, um welches Grundgefühl es wirklich geht und wie das Ersatzgefühl vermutlich entstanden ist (zum Beispiel in einem therapeutischen Rahmen). Entscheidend ist, dass nach einem eindeutigen, also reinen, Gefühl gesucht wird. Denn mit diesen Gefühlen kann der Mensch konstruktiv arbeiten, während er sich den Ersatzgefühlen häufig hilflos ausgeliefert fühlt.

Ersatzgefühle Dahinterliegendes Grundgefühl Mögliche Ursachen
Ärger Wut oder Trauer Spott, Auslachen, Willensschwäche
Bedauern Trauer Unsinnige Anstandsregeln
Beleidigt, Schmollen Wut Mangelnde Beachtung
Depressionen, Griesgram, Melancholie, Weinerlichkeit Trauer Mangelnder Trost
Dünkel, Geziertheit, Hochmut Freude Mangelnde Beachtung oder Bestätigung
Eifersucht, Missgunst, Neid Angst Mangelnde Beachtung
Gereiztheit, Ungeduld Wut Unnötige Störungen
Hass, Tobsucht Wut Mangelnde Versöhnung
Minderwertigkeitsgefühle Angst Mangelnde Beachtung oder Bestätigung
Ohnmachtsgefühle Wut oder Trauer Gebrochener Wille, mangelnder Trost
Rachegelüste Wut Mangelnde Versöhnung, Spott, Auslachen, Gebrochener Wille
Schadenfreude Freude Mangelnder Trost
Scham (künstliche), Schüchternheit Angst Unsinnige Anstandsregeln, Sitten und Gebräuche
Stolz, Überheblichkeit Freude Mangelnde Beachtung oder Bestätigung
Überängstlichkeit Angst Verwechslung von wirklichen mit vermeintlichen Gefahren
Versagensangst Angst Mangelndes Vertrauen

Die allermeisten Ersatzgefühle haben ihren Ursprung in der Kindheit, liegen also in der Verantwortung der Eltern. Im Idealfall wird sich der Erwachsene diesem Zusammenhang irgendwann bewusst und beginnt aus eigenem Antrieb an der Lösung zu arbeiten. In der Regel wird er aber erst im Rahmen einer Beziehung darauf aufmerksam gemacht. Denn Ersatzgefühle sind ausgesprochen konfliktträchtig, da Partner sehr schnell spüren, dass bestimmte Reaktionen des Einen weniger mit ihm als mehr mit der Vergangenheit des Anderen zu tun haben - und das meist auch ziemlich schonungslos kundtun.

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Folgen

Kinder, die zu sehr von Ersatzgefühlen gesteuert werden, fehlt ein wesentlicher Faktor für die nötige Reife: sie können ihre wirklichen Gefühle zu wenig wahrnehmen, sodass sie Mühe haben, sich in einer Gruppe mit ihrer Persönlichkeit auszuleben und gleichzeitig die Bedürfnissen ihrer Umwelt zu respektieren. Man sagt demnach nich zufällig, dass sich solche Kinder "zu wenig spüren" oder "sich daneben benehmen". Früher oder später werden sie zu Störenfrieden oder umgekehrt zu Duckmäusern abgestempelt.

Später haben Menschen, die vor allem von ihren Ersatzgefühlen getrieben werden und ihre Grundgefühle zu wenig wahrnehmen können, sowohl mit der Selbständigkeit Mühe, da ihnen ein wichtiger Faktor für gute Entscheidungen fehlt, als auch mit der Beziehungsfähigkeit, da ihr Gefühlsleben immer wieder durch Erfahrungen aus der Kindheit belastet wird. So hindern Ersatzgefühle den Menschen am Ausleben seines ganzen Potentials: Zum Beispiel ist ein neidischer Mensch dauernd mit den Erfolgen seiner Umgebung beschäftigt, statt dass er sich auf seine eigenen Fähigkeiten konzentriert und diese auslebt. Oder Ersatzgefühle verursachen Probleme in Beziehungen, da der Partner nie so richtig weiss, woran er ist. So kann zum Beispiel ein schüchterner Mensch dem Gegenüber seine Bedürfnisse zu wenig äussern, sodass dieser wiederum nicht weiss, wie er jenem entgegenkommen könnte. Das "Sortieren" von Bedürfnissen und Gefühlen nimmt denn auch regelmässig viel Raum ein in Paartherapien.

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Fragen und Feedback

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