Strafen

Aus 2 x 2 der Erziehung
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ARTIKEL IM AUFBAU / IN ÜBERARBEITUNG!




Strafen sind in der Erziehung nicht bloss unnötig, sondern meistens sogar ausgesprochen kontraproduktiv. Das beginnt schon damit, dass Kinder in den ersten, entscheidenden Phasen der Erziehung den Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und der Strafe gar nicht verstehen können und somit überfordert sind. Strafen werden zudem häufig mit Verantwortung verwechselt. Und schliesslich werden Strafen häufig bloss angedroht, was das Ganze noch heikler macht. Oder Strafen haben gar keinen vernünftigen Zusammenhang zum Fehlverhalten, sodass das Kind im besten Fall verwirrt wird und die Strafe im schlimmsten Fall als Liebesentzug empfindet. Würden Eltern hingegen erkennen, dass hinter der ganzen Problematik bloss das Thema Grenzen steht, hätten sie viel einfachere und effizientere Mittel zur Hand!

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Vertrauensbildung (bis etwa 2 Jahre)

Während der Phase der Vertrauensbildung kommen die wenigsten Eltern überhaupt auf die Idee, ihre Kinder für irgend etwas zu bestrafen. Das hat schon damit zu tun, dass Kinder in dieser Zeit ihren Eltern eben noch vollkommen vertrauen und deshalb grundsätzlich immer bereit sind, das zu machen oder zu tun, was Ihnen gesagt wird. Das gilt jedenfalls so lange, als ihre Grundbedürfnisse immer und bedingungslos befriedigt werden. Allerdings gibt es auch subtilere Versuche zur Verhaltensbeeinflussung, vom an sich harmlosen sanften Druck über Manipulationen bis zum Liebesentzug, deren Folgen aber ähnlich kontraproduktiv sein können.

Erste Erfahrungen von Konsequenzen

Sie können aber schon in dieser Phase einiges dafür tun, um später nicht auf die Idee zu kommen, das Kind für sein Verhalten strafen zu müssen. Einerseits sollten Sie das Kind erfahren lassen, was es bedeutet, wenn es nicht auf Ihren Rat oder Ihre Warnungen achtet (ausser natürlich, es handelt sich um wirkliche Gefahren). Wenn Sie dem Kind zum Beispiel sagen, es solle auf seinen Kopf acht geben, wenn es unter dem Tisch hindurch kriecht, und es das einfach ignoriert und sich deshalb weht tut, kann es aus dieser Erfahrung lernen. Nämlich dass es durchaus Sinn macht, auf die Eltern zu hören. Machen Sie dem Kind deshalb keine Vorwürfe, sondern trösten Sie es "trotzdem". Denn bedingungsloser Trost ist eines der wichtigsten Grundbedürfnisse des Kindes. Wenn Sie dem Kind hingegen nach dem ersten Missgeschick verbieten, unter dem Tisch hindurch zu kriechen, nehmen Sie ihm diese Lernerfahrung, sodass es gleich doppelt bestraft wird.

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Abmachungen

Andererseits geht es um Regeln, die Sie dem Kind vorleben können und Abmachungen, die Sie dem Kind mit Überzeugung und in einer für es verständlichen Art und Weise mitteilen. So können Sie zum Beispiel schon Kleinkindern immer wieder die Regeln beim Überqueren der Strasse vorsagen. Das Kind wird mit der Zeit die Regelmässigkeit erkennen und bald vielleicht sogar selbst sagen, dass bei einer auf Rot geschalteten Verkehrsampel gewartet werden muss. Falls das Kind nach dem Grund fragt, können Sie ihm diesen erklären, meistens genügt es dem Kind in dieser Phase aber, dass die Aufforderung von Ihnen kommt, denn es vertraut Ihnen ja noch völlig. Irgendwelche Drohungen oder Warnungen sind also nicht nötig beziehungsweise für das Kind sowieso noch weitgehend unverständlich, da es Zusammenhänge zwischen der Gegenwart und der Zukunft noch gar nicht erfassen kann. Wenn Sie selbst gelernt haben mit Regeln umzugehen, das heisst, sich einerseits selbst daran halten und andererseits mit dem Kind immer wieder Abmachungen treffen und deren Einhaltung auch genügend überprüfen, haben Sie bereits die Grundlage dafür gelegt, dass Sie in der nächsten Phase gar nicht erst auf die Idee kommen mit Strafen erziehen zu müssen.

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Willensbildung (etwa 2 bis 4 Jahre)

Regeln und Wille des Kindes

Wenn das Kind beginnt seinen Willen zu entwickeln, in der Regel etwa im dritten Lebensjahr, wird es nicht mehr einfach alles, was von seinen Eltern kommt, akzeptieren. Es wird dann vielmehr auch ausprobieren wollen, was es alles sonst noch erreichen kann, wenn es eben bloss will. Das ist zunächst einmal ein gutes Zeichen seiner gesunden Entwicklung und Kreativität. Allerdings wird sein Wille am Anfang noch ziemlich rücksichtslos und absolut sein. Kompromisse oder gar Anstand sind Kindern in diesem Alter noch völlig fremd. Als Eltern müssen Sie ihm deshalb auch Grenzen setzen, ansonsten es sehr schnell überborden wird. Das geht am einfachsten und schnellsten mit einem laut und deutlich ausgebrochenen "Nein!". Jenachdem wie überzeugend Sie dabei sind, beziehungsweise wie sehr das Kind an seiner Idee festhält, wird es Ihr "Nein!" akzeptieren oder zu toben beginnen. Auf Tobsuchtsanfälle müssen Sie lernen angemessen zu reagieren. Danach, wenn Sie sich mit dem Kind wieder versöhnt haben, können Sie mit ihm Regeln vereinbaren, um mit weiteren Konfrontationen besser angehen zu können. Dabei soll das Kind erfahren dürfen, dass es zwar seinen Willen haben darf (und als äusserst wertvolle Kraft behalten soll!), dieser aber auf Grenzen stossen kann, weshalb geregelt werden muss, was dann geschieht. Wenn das Kind zum Beispiel unbedingt sein Trottinett mit auf den Spaziergang mitnahmen will, können Sie mit ihm eine Vereinbarung suchen, wonach es das darf, wenn es das Trottinett auch dann selbst nach Hause zurück schiebt, wenn es nicht mehr fahren mag. Sie müssen aber zwingend darauf achten, dass das Kind mit der Vereinbarung auch einverstanden ist (oder noch besser: dass der Vorschlag von ihm kommt). Dann nämlich können Sie auf das Verantwortungsbewusstsein des Kindes zählen und sie werden staunen, dass es sich grösste Mühe geben wird, die Vereinbarung auch einzuhalten.

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Strafen und Verantwortung

Auf Strafen verzichten bedeutet also nicht, dass das Kind nicht die Konsequenzen für sein Verhalten verantworten soll. Allerdings besteht da ein wesentlicher Unterschied. Wenn Sie zum Beispiel die Regel haben, dass das Kind pro Tag eine Süssigkeit haben darf und es sich eines Tages selbständig ein zweites Mal bedient, bedeutet das als Konsequenz ganz einfach, dass es am nächsten Tag verzichten muss. So kann das Kind erkennen, dass ein Zusammenhang zwischen Ursache und Folge besteht (wohingegen zum Beispiel überhaupt kein Zusammenhang bestehen würde, wenn das Kind deswegen früher ins Bett müsste).

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Angedrohte Strafen

Noch heikler wird es mit Strafen schliesslich dann, wenn Sie diese androhen, im gegebenen Fall aber dann doch nicht aussprechen, sei es weil Sie es gar nicht ernst meinten, sei es weil Sie plötzlich Erbarmen mit dem Kind bekommen. Durch dieses Verhalten enttäuschen Sie nämlich die Erwartungen des Kindes und verlieren sein Vertrauen vollends! Das mag paradox tönen, ist aber nichts als logisch, da sich das Kind grundsätzlich auf Sie verlässt, das heisst von Ihrer Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ausgeht, ganz unabhängig davon, ob sich diese für das Kind positiv oder negativ auswirkt!

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Sozialisation bis Pubertät (etwa 4 bis 16 Jahre)

Verständnis für das Konzept der Strafe

Wenn das Kind nach den ersten, entscheidenden Phasen der Erziehung genügend reif ist, wird es an sich auch mehr und mehr das Konzept der Strafe, also Schuld und Wiedergutmachung durch Sühne, verstehen können. Allerdings haben Sie jetzt eigentlich noch weniger Anlass zu strafen, wenn sie schon bis jetzt ohne ausgekommen sind! Denn das Kind hatte ja idealerweise gelernt, dass es die Konsequenzen für sein Tun und Lassen selbst tragen muss. Es wird sich deshalb schon von sich aus zumindest an die elementaren und eingiermassen vernünftigen Regeln halten.

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Beispiel: Schulordnung oder Vereinsregeln

Natürlich gehört es aber auch zur normalen Entwicklung von Jugendlichen absichtlich oder auch fahrlässig Grenzen auszuloten oder gar zu provozieren. Es spricht denn auch nichts dagegen, wenn zum Beispiel Schulen oder Sportvereine mit Strafen arbeiten. Allerdings sollten diese doch ein Mindestmasse an Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und der Sanktion beinhalten. So wäre zum Beispiel eine Regel sinnvoll, Schüler, die Abfall liegen lassen, zur Strafe den Schulhof wischen zu lassen. Hingegen wäre das zehnfache Abschreiben der Schulordnung wenig hilfreich (da es ja kaum darum geht, dass Schüler nicht wüssten, wo der Abfall zu entsorgen ist und das nun auswendig lernen müssten).

Strafen können natürlich auch eine gewisse abschreckende Wirkung haben. Wenn zum Beispiel für jede Verspätung im Training etwas in die Vereinskasse geschuldet wird, werden sich die meisten viel motivierter fühlen pünktlich zu erscheinen. Doch sollte auch in diesem Fall sowohl der Zusammenhang zwischen Fehlverhalten und Strafe als auch die Gerechtigkeit der Strafe hinterfragt werden. Beispielsweise kann die Wirkung leicht ausgehebelt werden, wenn die Strafe bei den Einen einfach von deren Eltern übernommen wird. Sinnvoller könnte deshalb sein, dass Zuspätgekommene jeweils die Spielhalle allein aufräumen müssten.

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Beispiel: Verkehrsregeln

Die Einhaltung von Verkehrsregeln ist vor allem eine Frage der Sicherheit im Strassenverkehr. Bussen haben erfahrungsgemäss nur dann eine abschreckende Wirkung, wenn die Wahrscheinlichkeit des Erwischtwerdens genügend gross ist. Es hängt also vor allem von der Intensität der Polizeiarbeit beziehungsweise der (auch politisch definierten) Schwerpunkte der Kontrollen ab, ob die angedrohten Bussen überhaupt eine Wirkung haben können. Sie können sich als Eltern also gerade nicht auf die Strafbarkeit verlassen können, wenn es zum Beispiel darum geht, dass Ihr Kind den Fussgängerstreifen benützen soll (da ja nicht bei jedem Fussgängerstreifen ein "abschreckender" Polizist steht). Sie tun deshalb gut daran, dem Kind schon in den ersten Jahren die elementaren Verkehrsregeln beizubringen oder doch zumindest konsequent vorzuleben.

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Folgen von Strafen

Strafen sind also nicht bloss unnötig, sondern zumindest in den ersten, entscheidenden Phasen der Erziehung geradezu kontraproduktiv. Die Folgen können sich je nach Art und Härte der Strafe mehr oder weniger gravierend auswirken:

Liebesentzug statt Kontakt

Wenn Sie das Kind zum Beispiel wegschicken oder gar wegsperren, verweigern Sie ihm den Kontakt und somit die Beziehung. Für das Kind ist das immer ein Liebesentzug. Der Liebesentzug mag zwar bloss vorübergehend sein, doch müssen Sie sich erstens bewusst sein, dass gerade kleinere Kinder noch keine Vorstellung von Zukunft haben, sodass sie eine Trennung viel absoluter empfinden als Sie. Zweitens haben Sie dem Kind zwar eine Grenze gesetzt, aber eine die trennt, statt verbindet. Wenn das Kind etwas tut oder lässt, das es nicht soll, müssen Sie mit ihm in Kontakt treten und "Nein!" sagen, und zwar laut und deutlich. Sie dürfen ruhig in eine Konfrontation gehen, denn das Kind muss Ihren Willen förmlich spüren. Und wenn es zu toben beginnt, müssen Sie lernen, angemessen auf Tobsuchtsanfälle zu reagieren und sich danach wieder mit ihm versöhnen

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Schuld- und Rachegelüste statt Kooperationsbereitschaft

Ein Kind, das von seinen eigenen Eltern bestraft wird, wird sich verstossen und einsam fühlen. Je nach Persönlichkeit wird es Schuldgefühle oder umgekehrt Lust auf Rache entwickeln. Denn in den ersten, entscheidenden Phasen der Erziehung ist es noch gar nicht fähig, sich Gedanken über sein "Unrecht" zu machen. Mit der Forderung nach Selbstreflexion ist es schlicht überfordert. Die Gefahr ist deshalb gross, dass es sich, wenn es immer wieder bestraft wird, zu überlegen beginnt, wie es sich an den Eltern rächen oder dem Übel entfliehen kann. Die Fähigkeit dazu ist natürlich bloss eine Frage der Zeit: früher oder später wird es genügend kräftig und schlau sein. Damit schwindet aber auch die an sich von Natur aus gegebene Kooperationsbereitschaft des Kindes, oder das Kind wird Bedingungen aufstellen, denn das Motto "Wie Du mir, so ich Dir" hat es sehr schnell verinnerlicht, zumal es ihm ja von den eigenen Eltern vorgelebt wurde!

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Gehorsam statt Freiwilligkeit

Falls das Erziehungsziel der Eltern Gehorsam ist, können Strafen natürlich ein sehr effektives Mittel sein. Vor allem wenn umgekehrt auch noch Belohnungen zum Einsatz kommen. Eine solche autoritäre Erziehung könnten man auch mit "Zuckerbrot und Peitsche" betiteln und erinnert eher an militärische Disziplinierung oder gar an das Dressieren von Tieren als an Kindererziehung.

Das "Zweimalzwei der Erziehung" definiert aber als Ziel der Erziehung Selbständigkeit und Beziehungsfähigkeit - also schon fast das Gegenteil von Gehorsam. Kinder sollen demnach nicht lernen, den Anweisungen der Eltern zu gehorchen, sondern lernen Grenzen ihrer Umwelt zu respektieren und dabei trotzdem ihre eigene Persönlichkeit ausleben können. Wenn Eltern diese Ziele von Anfang an im Auge behalten, kommen sie erstens ohne Strafen aus und werden zweitens feststellen, dass Kinder nicht nur bestens mit Regeln umgehen können, sondern diese geradezu benötigen. Voraussetzung ist einzig, dass Sie als Eltern lernen, die Regeln auch konsequent anzuwenden. So kann das Kind seinen Willen gewissermassen kultivieren, sodass daraus eben ein freier Wille werden kann.

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Weiterführende Themen

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Übergeordnetes Thema

Willensbildung (zweite Phase der Erziehung)

Fragen und Feedback

Das "Zweimalzwei der Erziehung" ist zum Teil noch im Aufbau. Allfällige Fragen oder Feedback sind willkommen: Email

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